Nordkorea:Herr Pak und das Steuergeheimnis

North Korean leader Kim Jong Un inspects the long-range strategic ballistic rocket Hwasong-12 (Mars-12)

"Wir schätzen den Frieden hoch ein", sagt Nordkoreas Botschafter. Im Bild: Machthaber Kim Jong-un (links), der eine Langstreckenrakete inspiziert.

(Foto: KCNA via Reuters)

Pak Nam-yong, Nordkoreas neuer Botschafter in Berlin, empfängt zwar zum Interview. Doch dass er auf Fragen antworten soll, das scheint ihn dann doch sehr zu erstaunen.

Von Georg Mascolo, Berlin

Ein schweres Stahltor öffnet sich, dahinter wartet Herr Kim, winkt und sieht so aus, als würde er sich wirklich freuen. Vielleicht liegt es daran, dass Besucher hier in der nordkoreanischen Botschaft in Berlin selten sind. Es ist ein trostloser Plattenbau, ein letzter Rest DDR in bester Berliner Lage. Farbig sind nur die überall zu besichtigenden Fotos von Kim Jong-un, dem derzeitigen Machthaber der stalinistischen Erbdiktatur.

Der neue Botschafter, Seine Exzellenz Pak Nam-yong, hat einem "Interview" zugestimmt. Der Karrierediplomat war zuvor im Außenministerium in Pjöngjang, im Frühjahr wurde er nach Berlin abgeordnet, eine der wichtigsten Auslandsvertretungen Nordkoreas.

Aber es läuft nicht gut. Erst nahm ihn der neue Bundespräsident ins Gebet, als er im Schloss Bellevue doch nur sein Beglaubigungsschreiben überreichen wollte. Frank-Walter Steinmeier sieht Kriegsgefahr auf der Koreanischen Halbinsel. Dann berichteten die Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR, dass die Bundesregierung der Botschaft untersagen will, Teile des riesigen Areals weiter unterzuvermieten. Schließlich, so sagt es das Auswärtige Amt, diene der Devisenerwerb ja auch dem ehrgeizigen Atomprogramm.

Seit 2004 macht die Botschaft in Berlin ungehindert solche Geschäfte: Eine psychotherapeutische Ambulanz residierte zeitweilig auf dem Diplomaten-Compound, aktuell sind es ein Kongresszentrum und ein City-Hostel. Auch der Parkplatz hinter der Botschaft, fußläufig zum Brandenburger Tor, soll inzwischen einen Interessenten gefunden haben. Die Geschäfte laufen glänzend, vor allem weil Nordkorea auch vergessen hat, Steuern auf die Einnahmen zu zahlen.

So stottern sie jetzt eine Millionensumme beim Fiskus ab, das Auswärtige Amt hat die Ratenzahlung zwischen dem Land Berlin und der Demokratischen Volksrepublik Korea vermittelt. Immerhin einen Besuch der Gerichtsvollzieher muss die Botschaft nicht fürchten. Schließlich genießt man diplomatische Immunität.

Man hat also viele Fragen. "Es ist das erste Interview unseres Botschafters", sagt Herr Kim. "Er hat eine Erklärung vorbereitet." Pak Nam-yong hat ein hartes Gesicht und einen weichen Händedruck, der einzige Sessel im großen Empfangsraum ist für ihn reserviert. Das Möbel steht so, dass der Blick auf ein Porträt von Staatsgründer Kim Il-sung und dessen Sohn Kim Jong-il fällt. Wie viele Diktaturen ist auch Nordkorea ein Familienbetrieb.

Der Botschafter soll ein wichtiger Mann sein, heißt es in Berlin, mit direktem Zugang zu höchsten Parteikreisen. Sein Vorgänger ist den Behörden in schlechter Erinnerung. Einmal erwischte ihn die Wasserschutzpolizei an der Havel, Stromkilometer 3, westliches Ufer, bei einer "Fischwilderei". Der Koreaner, so steht es im Polizeibericht, nahm die Aufforderung, die Leine einzuziehen "wohlwollend und lächelnd zur Kenntnis und setzte die Straftat fort".

Nordkorea: Pak Nam-yong ist seit diesem Frühjahr Botschafter Nordkoreas in Berlin. Zuvor war er im Außenministerium in Pjöngjang tätig. Er soll direkten Zugang zu den höchsten Parteikreisen haben.

Pak Nam-yong ist seit diesem Frühjahr Botschafter Nordkoreas in Berlin. Zuvor war er im Außenministerium in Pjöngjang tätig. Er soll direkten Zugang zu den höchsten Parteikreisen haben.

(Foto: oh)

Zum Abschied sagt der Botschafter: "Journalisten kann man nicht aufhalten"

Man weiß nicht, ob Pak Nam-yong auch angelt. Aus einer schwarzen Mappe zieht er ein dickes Bündel Papier, koreanische Schriftzeichen, hier und dort rot unterstrichen und mit kleinen Notizen am Rand. Der Dolmetscher steht bereit.

Seine Exzellenz spreizt einmal die Hände und holt aus. Man wolle doch erst einmal die "teuflische Lage" auf der Koreanischen Halbinsel darstellen. Schuld daran sei die "feindselige Politik" der USA, Atomwaffen besitze Nordkorea nur zur "Selbstverteidigung". Die Lage sei sehr ernst, gerade erst habe man eine "Terrorbande" entlarvt, CIA und südkoreanischer Geheimdienst hätten versucht, die "oberste Führung" mit biologischen und chemischen Waffen zu ermorden.

Gleich drei verschiedene Operationen würden gegen sein Land laufen, "Enthauptung" ziele auf die Beseitigung der Führung, "Pinzette" auf die Zerstörung der nordkoreanischen Atomwaffen und "Offensive" auf die Invasion seiner Heimat bis hinauf in die Hauptstadt Pjöngjang. Er schaut kaum auf die Blätter, es scheint, als habe er den Text auswendig gelernt: "Die demokratische Republik Korea ist ein friedliebendes, sozialistisches Land. Wir schätzen den Frieden hoch ein und lieben ihn. Wir haben aber auch keine Angst vor einem Krieg, wenn es sein muss."

Also wie hoch ist die Steuerschuld tatsächlich? Es gibt keine Zahl

Herr Kim schaut auf die Uhr. "Der Botschafter hat noch einen anderen Termin." Ein Interview ohne Fragen? "Auf Nachfragen waren wir eigentlich nicht vorbereitet," sagt Herr Kim. Man ahnt, dass das stimmt. Der Diplomat wirkt ein bisschen ungehalten. Was soll die Geschichte mit den Steuern und dem Hostel, wo es doch um Krieg oder Frieden geht. Aber na gut.

Ja, man habe eine Aufforderung des Auswärtigen Amtes erhalten, die Geschäfte zu beenden. Deutschland berufe sich dabei aber auf die Umsetzung der einschlägigen UN-Sanktion 2321, die seit November des vergangenen Jahres Vermietungen und Verpachtungen nordkoreanischer Liegenschaften im Ausland verbietet. Aber das sei nur eine weitere der "bestialischen Sanktionen", denen sich sein Land nun schon so lange erfolgreich widersetze. Man werde sich nicht in die Knie zwingen lassen.

Und Schließung? "Es fehlen da gesetzliche Grundlagen, es gibt auch keine legalen Paragrafen", sagt der Botschafter triumphierend. Aus dem Fenster des Konferenzraums schaut man auf das City-Hostel "am Puls dieser Metropole" (Eigenwerbung). Ein Lastwagen steht vor dem Eingang, Handtücher und frische Bettwäsche werden angeliefert. Der Mieter des City-Hostels hat erklärt, sich mit allen juristischen Mitteln wehren zu wollen. Immerhin die Zahlungen an die Botschaft sollen bis zur Klärung eingefroren worden sein.

Es klingt nicht so, als wolle die Botschaft sich künftig nur noch um das diplomatische Geschäft kümmern. Und die Steuerschulden beim Land, so sagt Pak Nam-yong, seien auch gar nicht zehn Millionen Euro hoch, sie seien niedriger. Die Zahl stammt aus Regierungskreisen, aber der Botschafter schaut jetzt ziemlich vorwurfsvoll. Das hat man davon, wenn die Journalisten schreiben können, was sie wollen. "Ich bin der Meinung, dass die Presse eine genaue Zahl berichten muss", sagt er. Einverstanden. Also wie hoch ist die Steuerschuld tatsächlich? "Ich würde vorschlagen, dass Sie sich noch mal bei den entsprechenden Behörden erkundigen."

Kurzer Schlagabtausch, es gebe nun einmal ein Steuergeheimnis, die deutschen Behörden dürften nichts zu der genauen Summe der Schulden sagen. Das sei strafbar. Aber er, der Botschafter, könne und dürfe natürlich, also bitte, was ist Nordkorea nun den Deutschen genau schuldig?

Es wird nun ein wenig bewegter im Raum, Herr Kim wippt mit den Füßen, ein weiterer Blick auf die Uhr, der andere Termin, man müsse doch verstehen, der Botschafter habe sehr viel zu tun. Es gibt keine Zahl. Auch Nordkorea besteht auf dem Steuergeheimnis. Zum Abschied sagt Pak Nam-yong: "Journalisten kann man nicht aufhalten", sie hätten doch "mehr Befugnisse als ein Präsident". Da haben sie dann doch noch etwas zu lachen, in der Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Nordkoreas in Berlin.

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