Nordkorea:Das Getöse vor dem Fest

Nordkorea: Nordkoreanische Militärangehörige stehen in Pjöngjang neben Gebäuden des zuvor eingeweihten Ryomyong-Wohnkomplexes.

Nordkoreanische Militärangehörige stehen in Pjöngjang neben Gebäuden des zuvor eingeweihten Ryomyong-Wohnkomplexes.

(Foto: AP)

Der höchste Feiertag Nordkoreas steht bevor. Außenpolitisch ist die Stimmung aufgeheizt, die USA und China fürchten einen Atomtest. Im Land selber ist davon wenig zu spüren.

Von Christoph Giesen, Pjöngjang

Die Innenstadt um den zentralen Kim-Il-sung-Platz ist seit Tagen gesperrt. Aus der Ferne kann man Tausende Studenten beim Üben für die große Parade am Samstag beobachten. Alle wichtigen Straßen in Pjöngjang sind beflaggt. Am 15. April begeht Nordkorea den 105. Geburtstag von Staatsgründer Kim Il-sung. Es ist der höchste Feiertag des Landes.

Wird sein Enkel, Diktator Kim Jong-un, zum Ehrentag des Großvaters einen Atomtest befehlen? Satellitenbilder zeigen seit ein paar Tagen hektische Aktivitäten im Testgebiet in den Bergen an der Grenze zu China. Außerdem haben Nordkoreas Botschaften anlässlich der Feierlichkeiten Visa für mehr als hundert ausländische Journalisten ausgestellt, vor allem Reporter aus den Vereinigten Staaten werden in den kommenden Tagen erwartet. Die Bühne für den Showdown ist also bereitet.

US-Präsident Donald Trump heizte die Stimmung am Dienstag noch an: "Nordkorea sucht Ärger. Wenn China sich entscheidet zu helfen, dann wäre das großartig. Wenn nicht, werden wir das Problem ohne sie lösen! USA", twitterte er. Eine amerikanische Flugzeugträgergruppe ist unterwegs in Richtung koreanische Halbinsel. Just am Wochenende soll der Verband ankommen.

Die Nordkoreaner erfahren erst spät von den Spannungen

Am Mittwoch versuchte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping, die Lage zu beruhigen. Die Volksrepublik befürworte es, "die Angelegenheit mit friedlichen Mitteln zu lösen", soll Xi Trump laut einem Bericht des staatlichen Fernsehsenders CCTV in einem Telefonat gesagt haben. Deutlicher war die Global Times, das chinesische Parteiblatt warnte in einem Leitartikel, dass ein nordkoreanischer Nukleartest "ein Schlag ins Gesicht" der amerikanischen Regierung sei. Die mögliche Folge wäre eine Drosselung der chinesischen Benzin- und Ölexporte. Nordkorea bezieht seine Lieferungen nahezu ausschließlich aus dem Nachbarland. Es wäre ein Bruch mit dem Verbündeten.

In der nordkoreanischen Hauptstadt ist davon wenig zu spüren. Nach dem Abfeuern der 59 Marschflugkörper auf den syrischen Flugplatz dauerte es Tage, bis die Bevölkerung in Kenntnisse gesetzt wurde. Die amtliche Tageszeitung Rodong Sinmun titelte am Wochenende stattdessen: "Der respektierte oberste Führer Genosse Kim Jong-un hat eine Vorortanweisung in der Pjöngjanger Pilz-Fabrik gegeben." Die Partei habe die weise Entscheidung getroffen, "aus unserem Land ein Land der Pilze zu machen", sagte Kim. Champignons, Pfifferlinge - aber noch keine Atompilze.

Inzwischen hat sich zwar auch Pjöngjangs Rhetorik verschärft, doch die meisten Nordkoreaner sind die Propaganda gewöhnt. Wie oft hat das Regime nicht schon mit einem Nuklearschlag gedroht? Das Leben in Pjöngjang geht jedenfalls weiter. Fast ein wenig chinesisch ist die Stadt geworden. Es glitzert und blinkt - zumindest ein bisschen. Neue Häuser werden gebaut, immer mehr Autos sind auf den Straßen. Fährt man dieser Tage durch Pjöngjang, sieht man an vielen Ecken notdürftig zusammengezimmerte Holzbaracken - Unterkünfte für Soldaten. Sie sind es, die neue Straßen teeren und die Gebäude hochziehen.

Seit Kim Jong-il vor fünf Jahren starb, versucht sein Sohn das Land zusammenzuhalten. Um den Rückhalt der Elite nicht zu verlieren, macht er Zugeständnisse. So ist in den vergangenen Jahren eine Art Mittelschicht entstanden. Diese Leute wissen, dass Nordkorea nicht das Paradies ist, wie es die Propaganda behauptet - Kim Jong-un erkauft sich ihre Loyalität. Nordkoreas Neureiche dürfen Autos importieren und in den neuen Restaurants essen gehen.

Neue Wolkenkratzer und Museen zähmen Pjöngjangs Elite

Vor ein paar Jahren hätte man auf den Straßen der Hauptstadt picknicken können, so selten fuhr ein Auto vorbei. Heute gibt es Staus, sogar Fahrverbote. Seit gut einem Jahr dürfen an geraden Tagen nur Fahrzeuge mit gerader Nummer fahren, an ungeraden Tagen die anderen. Etwa 2000 Familien in Pjöngjang, schätzt ein Diplomat, haben ein Monatseinkommen von 5000 bis 10 000 Dollar zur Verfügung. 40 000 Familien liegen zwischen 500 und 3000 Dollar. Damit lässt sich einiges kaufen.

In den Supermärkten ist von den Sanktionen nichts zu spüren. Vor allem Produkte aus Deutschland findet man überall. Irgendwer muss ein ganzes Lager von Edeka aufgekauft haben. Selbst im Kim-Il-sung-Stadion bekommt man in der Halbzeitpause Vollmilchschokolade der Marke "gut & günstig". Aber auch Spreewaldgurken, Milchpulver von Hipp oder Ganterbräu aus Freiburg stehen in den Supermarktregalen Pjöngjangs. Man kann mit Dollar, Euro oder chinesischen Yuan bezahlen.

Am Samstag, pünktlich zum Geburtstag des Großvaters, eröffnet Kim Jong-un ein neues Viertel in Pjöngjang, mit einem 70 Etagen hohen Wolkenkratzer. Nur 70 Tage soll der Bau angeblich gedauert haben. Auch etliche Museen sind entstanden. Alles für Pjöngjangs Elite. Auf dem Land wird noch immer gehungert.

Kim Jong-un gewährt Zugriff auf gut eine Million deutsche Dokumente

Neben dem Zoo hat kürzlich ein Naturkundemuseum eröffnet. Mit Dinosaurierskeletten und erfreulich wenig Propaganda. Kim Jong-uns Lieblingsausstellung ist allerdings das neue Zentrum für Wissenschaft und Technik. Schaut man von oben auf das Gebäude, sieht es aus wie ein Atom. Kim Jong-un persönlich hat das so angeordnet. In die Mitte des Museums haben sie eine Kopie einer nordkoreanischen Langstreckenrakete gestellt, mehre Stockwerke ist sie hoch.

Vier Mal kam der Diktator schon vorbei, das erste Mal noch vor der offiziellen Eröffnung. Über jeder Tür im Museum, die für ihn aufgerissen wurde, ist eine rote Tafel mit goldener Schrift angebracht: Am 27. Oktober 2015 hat Marschall Kim Jong-un diesen Raum betreten. Im Erdgeschoss haben sie ein Täfelchen auf einen türkisen Sitzwürfel gestellt. Niemand wagt dort Platz zu nehmen.

Auch ein Computerlesesaal ist eingerichtet worden, man kann von dort auf das abgeschottete nordkoreanische Intranet zugreifen. In einer Datenbank sind Millionen technische Dokumente hinterlegt. Kim Jong-un legt Wert auf technische Ausbildung. Auch gut eine Million deutsche Dateien lassen sich finden. Allerdings ist der Nutzen fragwürdig: Unter den ersten Treffern sind ein Patentantrag für "einen Einwegdildo aus Recyclingpapier" und das Gebrauchsschutzmuster für ein "Harnröhrenkompressionsbändchen". Im Konflikt mit Donald Trump hilft das nicht.

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