Nordkorea-Experte:"Kim weiß, ohne Atomwaffen ist er verloren"

Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un vor dem Gipfeltreffen mit US-Präsident Donald Trump in Singapur.

Kim Jong-un bei seiner Ankunft in Singapur.

(Foto: REUTERS)

Der Nordkorea-Experte Andrei Lankov erklärt, was vom Gipfeltreffen zwischen Trump und Kim Jong-un zu erwarten ist. Und warum es vor allem um eine Menge Geld geht.

Interview von Christoph Giesen, Peking

Der Russe Andrei Lankov gilt als einer der renommiertesten Nordkorea-Experten. Internationale Bekanntheit erlangte er mit einer Publikation zur Geschichte Nordkoreas. Lankov unterrichtet an der Kookmin-Universität in Seoul.

SZ: Herr Lankov, was ist vom Gipfel zwischen Trump und Kim Jong-un in Singapur zu erwarten?

Andrei Lankov: Es gibt drei mögliche Szenarien. Ein gutes, ein schlechtes und ein mittleres.

Fangen wir mit dem Guten an. Wie sähe das aus?

Kim Jong-un stimmt der Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel zu. Die nordkoreanischen Atomwaffen werden sofort auf ein Schiff verladen und in die Vereinigten Staaten gebracht. Sonderlich wahrscheinlich ist das allerdings nicht.

Und das schlechte Szenario?

Es kommt zum Eklat. Kim und Trump können sich auf nichts einigen und brechen die Veranstaltung vielleicht sogar vorzeitig ab. Sollten die Gespräche tatsächlich scheitern, wäre die nächste Option wohl eine militärische, dann stiege das Kriegsrisiko in Nordostasien enorm.

Keine sehr rosige Aussicht.

Zum Glück ist auch das kein sehr wahrscheinliches Resultat.

Bleibt noch das, was Sie das mittlere Szenario nennen. Wie können wir uns das vorstellen?

Kim wird weitreichende Konzessionen anbieten. Er wird all das versprechen, was Trump hören möchte: Denuklearsierung und Inspektoren im Land. Einfach alles. Aber: Er wird es an eine mehrjährige Roadmap knüpfen. Mit vielen Folgekonferenzen und Treffen. Das ist die wahrscheinlichste Variante, zumal Trump bereits angedeutet hat, dass es mit einem Gipfel nicht getan ist, und auch China im Hintergrund einen solchen langfristigen Kompromiss anstrebt und dafür wirbt.

Zeit gewinnen, ist das der Plan?

Niemand in der Region möchte Krieg und vor allem die Chinesen haben ein starkes Interesse am Erhalt des Status Quo. Peking ist Stabilität deutlich wichtiger als Denuklearisierung. Kim wiederum weiß, ohne Nuklearwaffen ist er verloren. Gaddafi und Saddam Hussein sind die mahnenden Beispiele. So will Kim auf keinen Fall enden. Zwischen ihm und dem Tod stehen seine Nuklearwaffen.

Andrei Lankov

Der russische Wissenschaftler Andrei Lankov gilt weltweit als einer der renommiertesten Nordkorea-Experten. Er lehrt an der Kookmin-Universität in Seoul.

(Foto: Lee Jin-man/AP)

Wird er am Ende die Bombe rausrücken?

Nein, er wird sie behalten. Nordkorea wird alle Tricks nutzen, um die Nuklearwaffen nicht abzugeben. Das werden die Amerikaner aber erst in ein paar Jahren endgültig merken. Vorher kann Trump jedem, der es hören will: "Mission accomplished" verkünden - gesichtswahrend für beide Seiten. Kim ist noch jung, er kann in Dekaden planen.

Selbst wenn Trump wiedergewählt werden sollte, wäre für ihn 2024 Schluss.

Genau. So lange sollte der Prozess mindestens dauern. Im Gegenzug wird Nordkorea eine rasche Rücknahme der Sanktionen fordern, damit wieder ungestört Handel mit China getrieben werden kann.

Wie stark haben die Sanktionen dem Land zugesetzt?

Ich war erst vor ein paar Wochen in Nordkorea und habe elf Tage mehrere Städte besucht. Mein Eindruck war, dass der Alltag noch nicht sonderlich eingeschränkt ist. Ohne die Sanktionen kann Nordkorea aber finanzielle Hilfe aus dem Süden erwarten. Der neue südkoreanische Präsident Moon Jae-in, mit dem sich Kim jüngst zwei Mal getroffen hat, ist bereit, förmlich Geld regnen zu lassen.

Um welche Summen geht es dabei?

Eine Milliarde Dollar pro Jahr wären denkbar. Für Nordkorea ist das unfassbar viel Geld. Darum geht es für Kim.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: