Nordkorea:Angst vor Pjöngjang

  • Rhetorisch ist die Eskalation zwischen Washington und Pjöngjang in vollem Gange.
  • Es wird nun erwartet, dass Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un die USA herausfordert mit einer Geste des Trotzes und der eigenen Stärke.
  • In der Vergangenheit griffen die Führer in Pjöngjang dazu immer wieder zu Atomwaffen- und Raketentests.

Von Christoph Giesen und Kai Strittmatter, Peking

Samstag ist der "Tag der Sonne" in Nordkorea. Der 15. April ist der höchste Feiertag, Geburtstag von Staatsgründer Kim Il-sung. Der Samstag ist nun auch ein Tag, auf den Beobachter gespannt warten. Denn wenn ein Atomwaffentest stattfindet, dann wohl an diesem Tag. Es wäre der sechste solche Test, und viele befürchten, er könne zu einer Eskalation führen.

Die USA unter Präsident Donald Trump haben klargemacht, dass die Politik der "strategischen Geduld" vorüber ist, Trump hat einen Flugzeugträger in die Region verlegen lassen. Besonders groß ist die Nervosität bei Nordkoreas Nachbarn China. Am Freitag warnte Chinas Außenminister Wang Yi, die Spannungen dürften nicht eskalieren, die Lage drohe "irreversibel und unkontrollierbar" zu werden.

Trumps Raketenschlag als Signal an Nordkoreas Führer

Zumindest rhetorisch aber ist die Eskalation in vollem Gange. "Nordkorea legt es auf Ärger an", schrieb Trump in einem Tweet diese Woche. "Wenn China uns hilft, wäre das großartig. Ansonsten lösen wir das Problem ohne sie!" Das war kurz nachdem Trump 59 Raketen auf einen syrischen Flughafen hatte feuern lassen als Antwort auf einen Giftgasangriff in dem Land. Beobachter hatten den Raketenschlag auch als Signal an Nordkoreas Führer verstanden.

Der Nachrichtenagentur AP sagte Nordkoreas Vize-Außenminister Han Song-ryol am Freitag, wenn die USA "gefährliche militärische Manöver" begännen, dann werde sein Land zuerst zuschlagen: "Wir werden in den Krieg ziehen, wenn sie das wünschen." Han sagte, Trumps "aggressive" Tweets verschärften die Spannungen und brächten beide Seiten in einen "Teufelskreis". Nordkoreas Staatsmedien warnten am Freitag, ein Atomkrieg könne "jeden Moment" ausbrechen, Ausländern in Südkorea legten sie nahe, das Land zu verlassen.

Nun ist kriegerische Rhetorik nichts Neues in der nordkoreanischen Propaganda, die Nervosität jedoch ist diesmal bei Nachbarn und Beobachtern größer als sonst. Denn erstens scheint Nordkoreas Trägerraketenprogramm kurz vor einem Durchbruch zu stehen, das Land wird mit Interkontinentalraketen wohl bald die USA erreichen können. Und zweitens haben die Vereinigten Staaten mit Trump einen äußerst unberechenbaren Präsidenten. "Gewalt kann das Problem nicht lösen", sagte Chinas Außenminister Wang Yi am Freitag. China hat Angst vor Chaos an seiner Grenze. Auch ein konventioneller Krieg könnte Millionen Menschenleben kosten, vor allem auf der koreanischen Halbinsel.

In der Vergangenheit griff Pjöngjang immer wieder zu Atomwaffentests

Es wird nun erwartet, dass Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un die USA herausfordert mit einer Geste des Trotzes und der eigenen Stärke. In der Vergangenheit griffen die Führer in Pjöngjang dazu immer wieder zu Atomwaffen- und Raketentests. Und zwar gerne an den hohen Feiertagen des Landes wie nun dem Geburtstag von Kim Jong-uns Großvater Kim Il-sung.

Geboren wurde Kim 1912, in der nordkoreanischen Zeitrechnung ist das inzwischen das Jahr 1. Im Jahr 106 des nordkoreanischen Kalenders hat das Regime nun mehr als hundert ausländische Journalisten zu den Feierlichkeiten nach Pjöngjang geladen. Sie alle sind im Yanggakdo-Hotel kaserniert, einem schmucklosen Betonquader, der auf einer Insel mitten im Taedong-Fluss steht. Am Donnerstag teilte man den Reportern mit, es werde etwas Gewaltiges geschehen. Ein Atomtest?

Es war dann erst einmal die Eröffnung eines neuen Boulevards, der Ryomyong-Straße. Von der Innenstadt führt sie direkt zum Mausoleum. Hier liegen das Geburtstagskind Kim Il-sung und sein Sohn Kim Jong-il in Glassärgen. "Palast der Sonnen" nennen die Nordkoreaner den Bau. Früher war es der Dienstsitz des Präsidenten. Im Vergleich zur letzten Ruhestätte der Kims sind die Mausoleen in Peking und Moskau kaum mehr als Besenkammern.

Selbst Peking versucht, Kim von den Atomwaffen abzubringen

Bevor man den Kim-Palast betreten darf, muss man über Bürsten laufen und die Füße danach auf einem Desinfektionskissen abtreten, dazu Sicherheitskontrollen wie am Flughafen. Auf scheinbar endlosen Rollbändern fährt man dann den Kims entgegen. Irgendwann hört man schließlich das Surren der Luftduschen. Staub soll von den Anzügen geblasen werden. Wie aus Wachs liegt Kim Il-sung da. Frauen im traditionellen Gewand schluchzen laut, drei Mal muss man sich verbeugen.

China ist der letzte Alliierte Nordkoreas, aber nicht wirklich ein Freund: Auch Peking versucht, Kim von den Atomwaffen abzubringen. Trump hatte in den letzten Monaten mehrfach China beschuldigt, nicht genug zu tun. Beim Gipfel mit Chinas Staatschef Xi Jinping letzte Woche scheint er dazugelernt zu haben, wie er dem Wall Street Journal berichtete. "Ich war stark der Überzeugung, dass sie gewaltige Macht über Nordkorea haben. Aber es ist gar nicht so, wie man denkt."

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