Nordirak:Kampf um Kurdistan

Die Kurden hoffen, ein Sieg über den IS werde sie einem eigenen Staat näher bringen. Bagdad und Ankara wollen genau das verhindern.

Von M.Baumstieger, P.-A. Krüger

Als die Terrormiliz Islamischer Staat 2014 weite Teile des Irak überrannte, ließ die Armee vielerorts alles stehen und liegen. Auch in der Ölstadt Kirkuk liefen Bagdads Soldaten davon, es waren die kurdischen Peschmerga, die Kirkuk verteidigten. Der Krieg gegen den IS ist für die Kurden im Nordirak auch zu einem Kampf um ihr künftiges Territorium geworden. Kirkuk gehörte bislang nicht zu ihrer Autonomieregion, aber zu jenen Gebieten, die von ihnen beansprucht werden. Im Frühjahr 2013 standen sich die Peschmerga, wie die Soldaten der Autonomieregion heißen, und die irakische Armee fast gegenüber; ein Krieg um Kirkuk erschien möglich. Nur ein Jahr später überließ die Armee Kirkuk dann den Kurden. Sie bat angeblich gar die Peschmerga, zurückgelassene Waffen und Militärgerät vor dem IS zu retten.

Von dem Unabhängigkeitsreferendum, das der Kurdenpräsident Massud Barzani zu Jahresbeginn angekündigt hatte, redet in Erbil niemand mehr, die Rückeroberung von Mossul verbietet das. Man demonstriert Einigkeit, erstmals seit mehr als fünf Jahren flog Barzani nach Bagdad zum irakischen Premier Haidar al-Abadi. Bei einem Frontbesuch sagte er, es sei "das erste Mal, dass sich das Blut der Peschmerga und der irakischen Soldaten mischt". Er hoffe, nun beginne eine glänzende Zukunft.

Auch die Regierung in Bagdad fürchtet, dass die Kurden im Nordirak zu mächtig werden

Nur gibt es unterschiedliche Vorstellungen, wie diese Zukunft aussehen soll. Umstritten ist vor allem die Verteilung der Öleinnahmen. 2014 hatten Erbil und Bagdad einen Deal geschlossen, der die Ölausfuhren regelte und vorsah, dass die Kurden die ihnen nach der Verfassung zustehenden 17 Prozent des Staatsbudgets erhalten - eine Milliarde Dollar pro Monat. Doch dann warf Bagdad den Kurden vor, illegal Öl zu exportieren, und sperrte ihnen das Geld.

Dass die Kurden Mossul und Kirkuk ihrem Autonomiegebiet einverleiben könnten, fürchtet nicht nur Bagdad, sondern auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Er versteht sich zwar mit den irakischen Kurden deutlich besser als mit denen in Syrien - die türkische Armee bildete im Irak Peschmerga für den Kampf um Mossul aus, währen sie in Nordsyrien kurdische Stellungen bombardiert. Ankara möchte jedoch nicht, dass die Kurdenkämpfer Mossul nach der Befreiung vom Islamischen Staat beherrschen. Einen solchen Präzedenzfall eines unabhängigen Kurdistans will die Türkei verhindern.

Um sicherzustellen, dass weder Kurden noch schiitische Milizen die Macht in Mossul ergreifen, möchte Erdoğan türkische Soldaten an der Offensive beteiligen. Doch das verhindert bisher der irakische Premier. "Wir bedanken uns für das Angebot, aber das ist etwas, das die Iraker alleine schaffen", sagte al-Abadi am Samstag in Bagdad, als ihm US-Verteidigungsminister Ashton Carter den Wunsch der Türkei vortrug. Nachdem sich Erdoğan und al-Abadi in den vergangenen Wochen beschimpft hatten, war das in der Form zwar freundlich, aber nicht weniger bestimmt. Vergangene Woche hatte Erdoğan sein Interesse an Mossul damit begründet, dass sein Land auch Verantwortung für jene Teile des Osmanischen Reiches trage, die nicht mehr zur Türkei gehören. Im Irak werteten das manche als Ausdruck von Annexionsgelüsten - die in der Türkei von einigen auch offen geäußert werden.

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