Kleinere EU-Staaten über Griechenland:"Jetzt sollten wir alle ein Referendum abhalten"

  • Die kleineren Länder der EU eint, dass sie die Forderung der griechischen Regierung, weniger sparen zu müssen, anmaßend finden.
  • Welche Kritik die Staaten üben und welche Vorbehalte sie haben - im Überblick.

Von Cathrin Kahlweit, Wien, und Thomas Kirchner, Brüssel

Taavi Rõivas war, als er vergangenes Jahr überraschend Premierminister Estlands wurde, mit 34 Jahren der jüngste Regierungschef in der EU. Er twittert lieber, als Pressemitteilungen zu verschicken. Als die Nachricht vom griechischen Nein kam, verschickte Rõivas einige kritische Nachrichten: "Das Ergebnis reduziert die Chancen der Griechen auf eine Überwindung der Krise", das war noch diplomatisch; aber die Retweets, also die Texte von anderen, die Rõivas weiterschickte, waren deutlicher: "Nein - das heißt Drama und Ärger", gefiel dem Esten, und auch: "Jetzt sollten wir alle ein Referendum abhalten und abstimmen, ob wir Griechenland weiter Geld leihen wollen. Und dann aufs Volk hören - so, wie es die Griechen fordern."

Man muss wissen, dass die estnische Regierung, wie die der beiden anderen baltischen Staaten, eine vehemente Gegnerin von Alexis Tsipras ist. Die Balten halten die Forderungen der Griechen, weniger sparen zu müssen als andere, aber trotzdem Milliardenkredite zu erhalten, für recht anmaßend. Insofern formuliert der Este Rõivas nur, was in den kleinen, nordöstlichen EU-Staaten common sense ist. Alle drei standen nach der Finanzkrise kurz vor dem Staatsbankrott und sanierten ihre Haushalte mit Strukturreformen, drastischen Sparprogrammen, Massenentlassungen und Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst. Auch der Europaparlamentarier und Ex-Minister aus Lettland, Artis Pabriks, sagt, dass man dem Druck der Griechen jetzt nicht nachgeben dürfe. "Wir können das nicht zulassen, weil es alle Prinzipien untergräbt, auf denen die EU aufgebaut ist." Gefragt sei die Solidarität zu allen EU-Ländern, so Pabriks - was man so interpretieren könnte: Nicht wer am lautesten schreit, sollte Unterstützung bekommen, sondern wer seine Hausaufgaben macht.

Die Finnen forderten zusätzliche Sicherheiten

Moderate Kritik kam aus Österreich. Finanzminister Hans Jörg Schelling sprach von einem "enttäuschenden Ergebnis". Geld ohne Bedingungen werde es nicht geben; die griechische Regierung müsse ihren klaren Willen formulieren. Bundeskanzler Werner Faymann war kurz vor der Abstimmung nach Athen gereist, um zu vermitteln. Mit welcher Agenda und in wessen Auftrag, das war nicht ganz klar. Klar ist nun nur: Die Reise hat nichts erbracht.

Die Finnen gehörten von Beginn der Euro-Krise an zu jenen, die den Griechen am wenigsten trauten, wenn es um weitere Hilfen oder Zahlungsaufschübe ging. Deswegen bestand es auch als einziges Land auf zusätzliche Sicherheiten beim zweiten EU-Hilfsprogramm für Athen. Im Februar 2012 einigten sich beide Seiten auf einen bilateralen Deal: Die Griechen versprachen, Anleihen im Wert von einer Milliarde Euro als Pfand bei einem Treuhänder zu hinterlegen, dafür würde Finnland 2,2 Milliarden Euro Hilfe beitragen. Allerdings ist sehr umstritten, ob Finnland wirklich ein Geschäft gemacht hat.

Bezweifelt wird das unter anderem vom Chef der rechtspopulistischen "Finnen", Timo Soini. Seine Partei ist es, die den relativ eurokritischen Kurs Finnlands mitbewirkt hat, bis vor Kurzem aus der Opposition heraus. Nach einem großen Stimmenplus bei der Parlamentswahl ist Soini jetzt Außenminister; gut für Athen, denn wäre er Finanzminister, würde er jegliches Zugeständnis abschmettern. Die Griechen müssten nun selber schauen, wie sie zurechtkämen und dürften nicht anderen die Verantwortung aufbürden, sagte er am Montag im Sender Yle. Erfülle man ihre Forderungen, stünden sofort andere Länder mit denselben Wünschen Schlange. "Griechenland sollte nun strenge Reformen einleiten, wie Estland und Lettland."

Die Niederländer haben ähnliche Interessen wie die Deutschen

Vor einer Wiederholungsgefahr, etwa in Spanien, warnt auch Jan von Gerich, Chefökonom der Bank Nordea. Den Griechen dürfe kein besseres Angebot gemacht werden, das sei riskant und könne die Einheit Europas gefährden.

Den Niederländern geht es wie den Finnen. Rechtspopulisten haben auch hier viel Euro-Kritik in den politischen Diskurs gebracht. Sie haben mit ihrer starken Exportwirtschaft ähnliche Interessen wie die Deutschen. Und auch sie haben viel sparen müssen in jüngster Zeit. Finanzminister Jeroen Dijsselbloem hat als Chef der Euro-Gruppe daher einen harten Kurs gegenüber Athen verfochten, für den er von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gelobt wird. Nächste Woche will Dijsselbloem sich wiederwählen lassen, das griechische Nein hat seine Position schwieriger gemacht. Er hat sich vorige Woche festgelegt: Nach einem Nein der Griechen dürfe es keinen besseren Deal für Athen geben. Wenn es aber doch zu neuen Gesprächen kommt und Konzessionen gemacht werden? Dann ist Dijsselbloems Glaubwürdigkeit dahin.

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