Norddeutschland:Kampf gegen Windmühlen

In Ostfriesland gibt es ein hochmodernes Sicherheitleck: einen Radarschatten. Dort können keine Flugzeuge geortet werden - weder eigene noch feindliche.

Ralf Wiegand

Die Sache ist ernster, als es der Ort der Handlung vermuten lässt: Ostfriesland. Ausgerechnet dort, wo die ältesten Witze zu Hause sind, hat die Bundesrepublik Deutschland ein hochmodernes Sicherheitleck. Präziser gesagt ist das Leck ein Schatten, ein Radarschatten. So nennen die Verteidiger der Sicherheit eine Zone, in der sie keine Flugzeuge orten können, die eigenen nicht - und die feindlichen auch nicht.

Norddeutschland: Windräder können eine bisher ungeahnte Gefahr darstellen.

Windräder können eine bisher ungeahnte Gefahr darstellen.

(Foto: Foto: AP)

Käme der Feind also über Nordwest hereingeschwebt, er müsste sich nur geschickt hinter die Parks aus Windrädern ducken, die an der Küste wachsen. Die Rotoren erzeugen angeblich solche Radarschatten und gefährden damit indirekt die Verteidigungssicherheit des Landes. Mit diesem Argument, so klagt der Vorsitzende des Bundesverbandes Windenergie, Hermann Albers, "verhindert die Bundeswehr Klimaschutz und Investitionen. Da wird ein Problem kreiert, das keines ist."

Problem mit den Anlagen

Tatsächlich sind die Wehrbereichsämter über das Bundesimmissionsschutzgesetz in die Genehmigungsverfahren von Windkraftanlagen einbezogen. Vor etwa drei Jahren, sagt Albers, sei das Problem mit den Radaranlagen zum ersten Mal aufgetreten. "Da gab es verweigerte Genehmigungen in ein oder zwei Eignungsräumen". So heißen die Gebiete, wo genug Wind bläst, um Strom erzeugen zu können. Die Blockade war kaum der Rede wert.

Inzwischen aber verhindern die Wehrbereichsämter allein in Niedersachsen nach Angaben des Verbandes Investitionen in Windenergieanlagen von 400 Millionen Euro. "Auch in Schleswig-Holstein sind wir in einem dreistelligen Millionenbereich. Das Problem weitet sich aus", sagt Albers. Er wirft der Bundeswehrverwaltung vor, nicht in Einzelfällen zu prüfen, sondern die Ablehnung zu pauschalisieren und die technische Erneuerung ihrer Radaranlagen nicht forsch genug zu betreiben. Womöglich hoffe die Bundeswehr, spekuliert Albers, die Windindustrie könnte die nötige Digitalisierung des Radars bezahlen: "Das ist aber nicht unsere Aufgabe."

Stagnierendes Wachstum

Ohnehin sei das Wachstum bei Windstrom gebremst: Von 2000 bis 2002 hätten die Ökostromer ein jährliches Plus von 3300 Megawatt verzeichnet, seitdem hätten sie nur noch jährlich 1650 Megawatt zugelegt. Die deutschen Windanlagen haben derzeit eine Leistung von 25.000 Megawatt und erzeugen sieben Prozent des Gesamtstrombedarfs. Freilich hemmt nicht nur die Bundeswehr das Wachstum. Die Ausbreitung der "Stromspargelfelder" ist in der Fläche und in der Höhe begrenzt, in Süddeutschland mehr als im Norden oder Osten.

Die Bundeswehr nimmt die Sache mit den Radarschatten indes sehr ernst. "Luftraumüberwachung ist ein grundgesetzlicher Auftrag der Bundeswehr, der nicht beliebig zur Disposition steht", sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Das Problem ist längst auf hohen politischen Ebenen verankert. Im Auftrag der Luftwaffe auf der einen und des Umweltministeriums auf der anderen Seite sind Gutachten darüber erstellt worden, wie moderne digitale Radaranlagen mit neuen Windrädern harmonieren könnten. "Die Bundeswehr beteiligt sich an der Suche nach Lösungen", sagt der Verteidigungssprecher.

Grundsätzlich hat das Militär gegen Windkraft wohl nichts einzuwenden. Wo die Bundeswehr Flächen geräumt hat, lässt sie sich gelegentlich vom Bundesverband für Windenergie beraten. Stillgelegte Truppenübungsplätze oder ehemalige Kasernengelände könnten sich schließlich sehr gut zur Energieerzeugung eignen. Mit Windparks.

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