Nord-SPD: Ralf Stegner:Viel Kopf, wenig Herz

Bis Herbst 2012 muss in Schleswig-Holstein gewählt werden - doch der parteiinterne Machtkampf in der SPD ist längst ausgebrochen. Die Zeit von Landeschef Ralf Stegner scheint vorbei.

Ralf Wiegand

Es gibt Fotos, von denen sich schleswig-holsteinische Sozialdemokraten wünschen, sie wären nicht vor 14 Monaten entstanden, sondern stammten aus der Zukunft. Die Bilder zeigen Ralf Stegner und Torsten Albig, zwei strahlende Männer auf einer Bühne, unverkennbar zwei Sieger. Der eine, Stegner, applaudiert dem anderen, der triumphierend ins Publikum winkt. Torsten Albig, 47, ist da gerade zum Kieler Oberbürgermeister gewählt worden, der Landesvorsitzende Stegner sonnt sich in Albigs Glanz. Sozialdemokraten können doch noch Wahlen gewinnen.

Stegner vor HSH-Nordbank-Ausschuss

Muss sich den Angriffen seines Parteifreundes Torsten Albig erwehren: der schleswig-holsteinische SPD-Chef Ralf Stegner.

(Foto: dpa)

Demnächst wird im Land zwischen den Meeren wieder ein neues Parlament gewählt. Wann das sein wird, weiß noch keiner, weil das Landesverfassungsgericht zwar Neuwahlen angeordnet, für den Termin aber nur eine lose Frist "bis 30. September 2012" gesetzt hat. Angesichts des Tempos, in dem in der schleswig-holsteinischen SPD der parteiinterne Wahlkampf ausgebrochen ist, könnte man meinen, es würde schon übermorgen gewählt. Im Rennen sind zwei Charakterköpfe: Stegner und Albig.

Der heimliche Star

Den Parteichef überrumpelt zu haben, das ist der zweite Coup in der kurzen öffentlichen Karriere des Torsten Albig. Als Sprecher von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück war er ein heimlicher Star in der Berliner Szene, einer, der die Politik seines Chefs erklären konnte, als hätte er sie selber gemacht. Dass er auch in eigener Sache zu überzeugen weiß, hat ihn nicht nur ins Kieler Rathaus gebracht, sondern auch in die nächste heimliche Rolle: die des Schattenspitzenkandidaten. Albigs Erscheinen auf der Bühne im Norden erlöste die SPD dort von ihrem Dauerabonnement für das ewige Ein-Mann-Stück mit dem Hauptdarsteller Ralf Stegner.

Stegner, 50, hat den Rollenwechsel in seiner eigenen Karriere nicht so gut hinbekommen. Als er noch der Mann hinter Heide Simonis war, der die Ministerpräsidentin für ihre Sticheleien gegen den damaligen Kanzler Gerhard Schröder mit frechen Steuerkonzepten munitionierte, galt auch Stegner als kommende Größe. Ein scharfer Denker, sozialdemokratisch bis ins Mark, intellektuell, unbeugsam, unbequem.

Als er dann aber nach Simonis' schmählicher Abwahl zur Nummer eins aufgestiegen war, verschwanden die positiven Attribute - es formte sich nach und nach nur das Bild des Provokateurs. Für so berechnend hielten ihn manche, dass Stegner selbst gegen den Verdacht kämpfen musste, derjenige gewesen zu sein, der Heide Simonis in vier Wahlgängen die Stimme verweigert hatte.

In seiner Rhetorik grob

Stegner ist ein gewiefter Debattierer, der gern scharfe Töne anschlägt. Er provozierte den als Gemütsmensch geltenden Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen, bis der die große Koalition platzen ließ. Doch weiter ist Stegner nicht gekommen, weil er die Herzen nicht erreicht. Politik sei "Kopf und Herz", warnte ihn Heide Simonis, aber Stegner blieb in seiner Rhetorik grob, ein Streiter um des Streites willen. Auch nach dem SPD-Desaster bei der letzten Wahl (25,4 Prozent), mit ihm als Spitzenkandidat, zeigte er keine Demut. Er wolle nun eben eine starke Opposition führen. Der linke Block im Parlament folgt ihm indes nicht ohne weiteres, sondern sehnt sich nach Visionen, wie sie der Höhenflug der Grünen im Land verheißt.

Torsten Albig ist da schon eher einer für alle. Vor allem einer gegen Stegner. Mit ihm werde die SPD "breitere Schichten ansprechen", sagt Albig. Gemeinsame Jubelfotos mit Stegner dürften selten werden.

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