Niedrigsteuer-Länder:SPD geißelt Steuerdumping in Europa

Die Sozialdemokraten werfen mehreren EU-Staaten Steuerdumping vor. Das geht aus einem Positionspapier hervor, das der "Süddeutschen Zeitung" vorliegt. Darin fordert die SPD einen EU-weiten Mindestsatz für Unternehmen. Auch für Finanzminister Schäuble hält das Papier eine unliebsame Überraschung bereit.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin

Es ist eine Breitseite, wie sie eine deutsche Regierungspartei nicht oft gegen die europäischen Nachbarn abschießt: In einer Vorlage für die Klausurtagung der SPD-Bundestagsabgeordneten an diesem Wochenende in Berlin geißelt die Fraktionsführung mit scharfen Worten den aus ihrer Sicht ruinösen Steuerwettbewerb der Staaten. Leidtragende seien die Bürger, die mehr Steuern zahlen müssten als nötig, Nutznießer die großen Konzerne.

Namen werden in dem zwei Seiten umfassenden Papier nicht genannt, aber es ist klar, wer gemeint ist: Irland zum Beispiel, das lieber um Finanzhilfen der EU-Partner bat als seinen Mini-Körperschaftsteuersatz von 12,5 Prozent anzuheben; die Niederlande, die äußerst großzügige Regelungen für Konzern-Holdings anbieten - oder Luxemburg, das sich Internet-Riesen wie Amazon als Niedrigsteuerstandort anbietet. Und dann gibt es noch Nicht-EU-Staaten wie die Schweiz, die Firmen zum Verschieben von Gewinnen einladen.

"Unternehmen zwingen ganze Staaten zum Steuerdumping, indem sie drohen abzuwandern, Arbeitsplätze zu vernichten oder sich nicht anzusiedeln, wenn es sich steuerlich nicht rentiert", heißt es in dem Papier, das Vize-Fraktionschef Carsten Schneider im Auftrag des Vorsitzenden Thomas Oppermann verfasst hat. Einige Staaten seien diesen Drohungen leichtfertig "auf den Leim gegangen und in einen Steuersenkungswettbewerb eingetreten".

"Rechtliche Nischen und dunkle Ecken"

Manche Länder locken demnach Firmen durch niedrige Steuern gezielt an. Andere hätten "bewusst rechtliche Nischen und dunkle Ecken geschaffen", in denen bestimmte Einkünfte, zum Beispiel aus Patenten oder Lizenzen, begünstigt würden. Wieder andere führten nur alle zehn Jahre Betriebsprüfungen durch. "Zu den Verlierern gehörten Kleinbetriebe, Arbeitnehmer und Verbraucher", so Schneider. "Es gewinnen nur die großen Unternehmen und Vermögenden."

Um die Missstände zu beseitigen, fordert die SPD unter anderem einen Mindeststeuersatz für Unternehmen, eine einheitliche Bemessungsgrundlage sowie länderbezogene Berichte über erzielte Gewinne, entstandene Verluste und gezahlte Steuern. Die Begünstigung einzelner Einkunftsarten soll verboten werden. Fraktionschef Oppermann sagte, Europa habe sich in der Krise als handlungsfähige Gemeinschaft bewährt. "Dazu passt es aber nicht, dass sich einzelne Mitgliedsländer über die Steuerpolitik Konkurrenz machen. Wir wollen keinen Steuersenkungswettbewerb in Europa", erklärte er.

Kritik an der Bankenunion

Auch Steuertricksereien von Privatleuten wollen die Sozialdemokraten eindämmen. Dazu sollen Lücken bei der Zinsbesteuerung geschlossen und der automatische Austausch von Kontoinformationen allgemeiner Standard werden. "Helfer und Helfershelfer" von Steuerbetrügern, Mitarbeiter von Banken zum Beispiel, will die SPD härter bestraft sehen. Bei organisierter Beihilfe soll den Instituten auch die Lizenz entzogen werden können. "Wer Steuern hinterzieht, verweigert sich, einen finanziellen Beitrag für die Gemeinschaft zu leisten, die das öffentliche Leben in den Städten und Gemeinden, Bibliotheken, Kitas, Schulen, Polizei und Justiz, die öffentlichen Straßen, den Personennahverkehr und vieles mehr finanziert", heißt es in dem Papier. "Steuerbetrüger raffen persönlichen Wohlstand auf Kosten ihrer Mitbürger und des Staates."

Zumindest einige der Forderungen dürfte bei Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf offene Ohren stoßen. Doch auch für den Minister selbst hält das Papier eine unliebsame Überraschung bereit: Die SPD kündigt nämlich an, dass sie dem Kompromiss von Europarlament und Nationalstaaten zur Schaffung einer gemeinsamen Abwicklungsbehörde und eines Abwicklungsfonds für Banken nur unter Bedingungen zustimmen wird. Voraussetzung sei, dass die Abgabe der europäischen Geldhäuser für den neuen Fonds "in den Mitgliedstaaten einheitlich erhoben wird" und "wie gegenwärtig im deutschen Recht nicht von Steuerschuld abzugsfähig ist". Die Sozialdemokraten befürchten, dass einzelne Länder hier ein neues Steuerschlupfloch eröffnen wollen, diesmal für die Banken. Oppermann sagte, es müsse verhindert werden, dass "der Abwicklungsfonds doch wieder zu Lasten des Steuerzahlers aufgebaut" werde.

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