Das E-Mail-Abwehrschild
Daniel Kehlmann sagte neulich, er glaube, "dass Handy, E-Mail und iPod die größte Veränderung unserer Lebenswirklichkeit seit der industriellen Revolution bedeuten. Wir haben noch nicht mal angefangen, das zu verstehen." Ich schon. Es bedeutet nämlich, dass ich mich nicht mal mehr ansatzweise dings, ähm, na, Moment, ich muss nochmal das Kehlmann-Interview zu Ende, genau: konzentrieren kann. Also nicht mehr konzentrieren kann. Bedeutet es.
Ich soll ja möglichst viele Texte schreiben, dafür werde ich bezahlt. Es geht aber nicht, weil - Sekunde, meine Mailbox klingelt ... Also, wo waren wir, genau, es geht nicht, ich komme nicht voran, weil, "Ja, Rühle? Kann ich Sie zurückrufen? Danke.", weil, wie die Amerikanerin Maggie Jackson in ihrem Buch "Distracted - The Erosion of Attention" beschrieb, die normale Büromonade gar nicht mehr dazu in der Lage ist, länger als ein paar Minuten am Stück, weshalb mittlerweile sogar unsere Syntax erodiert, Moment, ich such mal kurz den Link zum Buch ...
Tschuldigung, hat etwas länger gedauert als die normalen 23 Minuten, die man im Durchschnitt vertändelt, wenn man erstmal abbiegt in den Weltzerstäuber Internet, weil da war dann noch so ein Gewinnspiel, und auf diesem einen amerikanischen Blog stand was über die wichtigsten Wünsche für 2009. Ich habe überhaupt nur einen einzigen Wunsch für 2009: Eine Maschine, die nur einmal am Tag erlaubt, das Internet aufzumachen. Und einmal am Tag die Mailbox.
Möge diese Maschine strenger über mich wachen als Wladimir Putin über das russische Volk, möge sie nie, nie, nie mit sich verhandeln lassen, auf dass ich wieder in Ruhe vor mich hin schreiben kann, in weit ausschwingender Syntax, incl. Nebensätze.
Text: rueh Foto: dpa