Niedersachsen:Aygül Özkan - Ministerin für Vorsicht

"Sie wirkt wie gehemmt": Nach ihrem schlechten Start in Niedersachsen ist Deutschlands erste türkischstämmige Ministerin Aygül Özkan peinlich bemüht, weitere Fehler zu vermeiden.

Jens Schneider

Es gab Rouladen von Auberginen, Köfte und Börek. Der Bischof der Landeskirche kam, eine CDU-Abgeordnete hatte die Schirmherrschaft übernommen, die Spitzen der Landtags-Fraktionen waren da. Das Fest war eine kleine Sensation für Düsternort, das Hochhaus-Viertel in Delmenhorst, wo viele Muslime leben. Zum ersten Mal feierten die Mevlana-Moschee und die Kirchengemeinde Zu den Zwölf Aposteln gemeinsam das Iftar-Mahl, das Fastenbrechen nach Sonnenuntergang im Ramadan. Erwartet wurde auch eine Ministerin, für die das Fest die ideale Bühne gewesen wäre. Mit ihrer herzlichen Art kann sie Distanz schnell überbrücken. Das ist einer ihrer Stärken, so hat Aygül Özkan manch skeptischen Konservativen für sich eingenommen.

Niedersächsischer Landtag

Unter Beobachtung: Niedersachsens Integrationsministerin Aygül Özkan

(Foto: dpa)

Niedersachsens Integrationsministerin sagte nahezu im letzten Moment ab. Sie habe am nächsten Morgen ein wichtiges Gespräch mit einem Vertreter aus dem Kanzleramt und müsse sich einarbeiten, hieß es aus dem Ministerium.

In Delmenhorst waren sie ein bisschen enttäuscht. Und schnell kamen Zweifel an den Gründen der Ministerin auf. Selbst in ihrer schwarz-gelben Koalition in Hannover wollten manche nicht an ihre Version glauben. Kolportiert wird eine andere Geschichte: Über die Mevlana-Gemeinde in Delmenhorst kursierten Berichte, sie stehe der islamistischen Gemeinschaft Milli Görus nahe. Da habe Özkan vermeiden wollen, dass ihr wieder ein Missgeschick heikle Schlagzeilen einbringt. Weil sie unter besonderer Beobachtung steht - auch bei Regierungschef David McAllister.

Nein, dies ist nicht wieder eine Panne in der jungen Ministerinnen-Karriere der Aygül Özkan aus Hamburg, deren Ernennung durch Christian Wulff vor gut 100 Tagen eine Sensation war, die aber schon vor der Amtsübernahme mit Rücktrittsforderungen konfrontiert wurde, weil sie sich gegen Kruzifixe in Klassenzimmern ausgesprochen hatte. Sie musste sich entschuldigen, Wulff brachte sie auf Linie. Danach hat sie noch einmal Schlagzeilen gemacht, wieder rollte eine Welle der Empörung, diesmal korrigierte der neue Regierungschef. In ihrem Haus war, ohne ihr Zutun, eine Medien-Charta entworfen worden, mit der sich Journalisten verpflichten sollten, bei der Berichterstattung über Integration eine "kultursensible Sprache anzuwenden". Die Sache ist inzwischen vom Tisch.

Lesen Sie weiter, um die zwei Seiten der Ministerin kennenzulernen.

Was macht sie dann überhaupt?

Die Geschichte um das Fastenbrechen passt nun in das Bild einer nun übervorsichtigen Ministerin, die vielleicht, so Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel, "schon aus Angst vor Fehlern neue Fehler macht". Er klingt wohlmeinend, wie sein Kollege Stefan Schostok von der SPD, der Özkan als angenehmen Menschen beschreibt. "Ich finde es toll, dass sie sich um Integration kümmert", sagt Schostok. "Aber seit ihrem schwierigen Start wirkt sie wie gehemmt."

Beim Gespräch in ihrem Büro in Hannover lernt man zwei Seiten kennen. Fröhlich spricht sie über Hamburg, ihre Heimatstadt, in der die Juristin als temperamentvolle Bürgerschaftsabgeordnete ihre politische Karriere begann. Keck erzählt sie Geschichten aus ihrer Stadt. Auch von Niedersachsen schwärmt sie, in langen Sätzen. Aber die klingen seltsam unkonkret, ohne Leben, ohne Anekdoten. Sie sagt: "Positiv überrascht hat mich die Herzlichkeit der Menschen. Dieser Zusammenhalt ist eine ganz tolle Sache." Und: "Niedersachsen ist, was das Ehrenamt angeht, Spitze." Dass man "die Nächstenliebe hautnah erlebt". Sie erzählt nicht, was sie erlebt hat bei den Reisen durchs Neuland.

Jedes ihrer Worte wird gewogen

So kann sie nichts falsch machen, aber was macht sie dann überhaupt? Özkan wollte Zeichen für die Integration setzen. Deshalb ist die Aufgabe vom Innenminister weggenommen und ihr übertragen worden. Nun warten alle auf ihr Projekt. Es sei interessant, dass gerade sie nach einem großen Projekt gefragt werde, sagt sie. "Da ist schon eine besondere Erwartungshaltung. Das liegt vermutlich daran, dass von einer Ministerin mit Migrationshintergrund so etwas erwartet wird. Aber ich bin am Ende nur eine Landesministerin, das Amt hat seine Grenzen." Sie will keine großen Erwartungen wecken. "Es gibt nicht das eine große Projekt."

Es gehe darum, gute Ansätze stärker zu vernetzen. "Wir haben zum Beispiel Senioren-Service-Büros, die aber von älteren Migranten wenig genutzt werden, obwohl die oft Hilfe brauchen und abgeschieden leben. Da müssen wir schauen, wie wir diese Service-Büros stärker für Migranten öffnen können."

Es sei gut, heißt es in der Koalition, wenn sie sich in die Sacharbeit stürzt. So könne sie Boden finden. Da gehöre die Gesundheitspolitik dazu, auch das Soziale. Die Botschaft scheint sie erreicht zu haben. "Selbstverständlich ist die Integration für mich ein Schwerpunktthema", sagt Özkan. "Aber es gibt auch in der Gesundheits- und der Sozialpolitik sehr wichtige Anliegen, die wir umsetzen müssen. Wir müssen Ärzte in die Fläche bekommen. Wir wollen die frühkindliche Bildung fördern. Wir wollen ältere Menschen stärker einbeziehen."

Der Sozialdemokrat Schostok sagt, ihre Ernennung sei ja ein Symbol gewesen. "Sie müsste von diesem Sockel durch nüchterne Arbeit runterkommen." Vielleicht mit einem Konzept gegen den Pflegenotstand. "Wir stehen vor einer Pflegekatastrophe." Özkan will keine großen Konzepte in Aussicht stellen.

Am Montag trifft sich der runde Tisch zum Thema Integration in den Medien, für den die Medien-Charta gedacht war. Wieder wird jedes Wort von ihr gewogen. Sie sagt dazu vorher lieber nichts.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: