Niederlande:Wilders' Welt

Die Rechtspopulisten können bei der Wahl zur stärksten Fraktion werden, die anderen Parteien sind ratlos. Bleibt nur, Wilders (mit-)regieren und sich entzaubern zu lassen.

Thomas Kirchner

"Heute Almere und Den Haag, und morgen die ganzen Niederlande!". Im Siegesrausch klingt der Rechtspopulist Geert Wilders ein bisschen wie Adolf Hitler, wenn er wissen lässt, dass alles nach Plan läuft. Seine Partei für die Freiheit (PVV) ist, obwohl sie nur in zwei Städten antrat, klarer Sieger der Kommunalwahlen. So grässlich sich Wilders' Triumphgeheul auch anhören mag, es ist kein Zeichen von Größenwahn: Wenn nichts dazwischenkommt, wird die PVV bei der Parlamentsneuwahl im Juni zur stärksten oder zweitstärksten Fraktion.

Das ist schlimm für die Niederlande. Außer Islamhass hat Wilders diesem Land kaum etwas zu bieten. Wie alle Populisten ist er nicht an Lösungen interessiert. Er lebt nur von der Angst der Menschen - der Angst vor dem Fremden, dem Unsicheren, Unkontrollierbaren. Es muss ihm auch niemand dankbar sein für den Hinweis, dass einiges schieflief in der niederländischen Integrationspolitik, die gewaltige Probleme aus falsch verstandener Liberalität, und auch aus Faulheit, nicht zur Kenntnis nahm. Der Intellektuelle Paul Scheffer läutete diese Alarmglocke schon im Jahr 2000 und riss damit seine Sozialdemokraten wenigstens ein bisschen aus dem Schlaf.

Zurück zu Wilders: Was ist von einem Politiker zu halten, der sein Denken und Handeln letztlich aus einem einzigen Satz ableitet - "der Islam ist schuld an allem" - und den Leuten daher einzureden versucht, ihre Probleme ließen sich ganz einfach lösen, wenn nur endlich dieser Islam verboten sei und möglichst viele Muslime aus dem Land geworfen würden? Nein, Holland braucht Geert Wilders ganz und gar nicht, eher stimmt der in diesen Tagen gefallene Satz, dass dieser Mann Hollands größtes Problem sei.

Aber er ist da, er lässt sich nicht wegwünschen. Die Menschen wählen ihn, was für seine Cleverness spricht. Aber es ist auch ein Ausdruck des stark gestörten Vertrauensverhältnisses zwischen den Bürgern und den etablierten Parteien. Wie also sollen diese Parteien umgehen mit dem Anti-Politik-Politiker? Wilders verteufeln und mit allen Mitteln draußen halten oder ihn einhegen? Das ist eine altbekannte Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt.

Die schlechteste Strategie ist es, Wilders wegen "Beleidigung" der Muslime, wie jüngst geschehen, vor Gericht zu zerren. Das liefert ihm nur eine weitere Bühne, auf der er sich als Opfer der politischen Elite darstellen kann. Eine Anti-Wilders-Koalition hingegen würde auf die Wiederholung des eben zerbrochenen und reichlich diskreditierten christ-sozialdemokratischen Bündnisses hinauslaufen. Man würde Wilders damit eine große Freude bereiten.

Bleibt also, den Mann mit den gebleichten Haaren (mit-)regieren und sich selbst entzaubern zu lassen, wie es weiland geschah bei Österreichs Freiheitlichen. Man wird dann sehen, wie weit Wilders mit der Forderung kommt, das Kopftuch aus allen öffentlichen Einrichtungen zu verbannen. Oder eine Steuer von 1000 Euro auf jedes Kopftuch zu erheben.

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