Niederlande:Probleme für den Wahlsieger

Die großen Parteien haben so viele Sitze verloren, dass selbst eine große Koalition keine eigene Mehrheit hätte. Stimmen gewonnen haben die den Islam attackierenden Rechtspopulisten und vor allem die Sozialisten. Dank prominenter Fürsprecher ist zudem erstmals eine Tierschutzpartei im Parlament.

Die Niederlande stehen vor einer schwierigen und möglicherweise langwierigen Regierungsbildung. Nach der Parlamentswahl vom Mittwoch ist noch keine klare Mehrheit für eine Regierungskoalition in Sicht.

Mit einem überraschend deutlichen Vorsprung wurden aber die Christdemokraten von Ministerpräsident Jan Peter Balkenende trotz leichter Verluste wieder stärkste Partei vor den oppositionellen Sozialdemokraten (PvdA).

Attacken gegen den Islam

Größter Gewinner der Wahl ist die Sozialistische Partei, die die Zahl ihrer Sitze von neun auf 26 fast verdreifachen konnte. Der Christlich-Demokratische Appell (CDA) verfügt den Ergebnissen vom Donnerstagmorgen zufolge im 150 Sitze zählenden Parlament künftig über 41 Mandate nach 44 bei der letzten. Die PvdA kommt demnach nur noch auf 31 Sitze, was ein Minus von elf Mandaten wäre.

Allgemein war mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen von CDA und PvdA gerechnet worden. Vierstärkste Kraft sind die Liberalen (Volkspartei für Freiheit und Demokratie - VVD), die wieder auf 22 Mandate kommen und die bisher Koalitionspartner der CDA waren. Den Verlusten der beiden großen Parteien stehen Gewinne bislang kleinerer Gruppierungen auf der Linken und Rechten gegenüber.

Denn neben den Sozialisten von Jan Marijnissen gab es auch bei Geert Wilders und seiner rechtsgerichteten Freiheitspartei Grund zum Jubel. Dessen scharfe Attacken auf den Islam brachten ihm neun Sitze in der Zweiten Kammer. "Das ist das Chaos", sagte Finanzminister Gerrit Zalm von der VVD mit Blick auf die Ergebnisse. "Daraus eine Regierung zu machen, wird extrem schwierig."

"Partei für die Tiere"

Und auch Balkenende räumte trotz seiner Siegerlaune ein, dass es ein "kompliziertes" Ergebnis sei. Beobachter äußerten Zweifel, ob eine - wie auch immer zusammengesetzte Regierung - die vierjährige Amtsperiode überstehen kann. Bei der Wahl ging es nicht zuletzt um einen Richtungsentscheid in der Asyl- und Integrationspolitik.

Es war die erste Abstimmung in den Niederlanden seit der Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh durch einen muslimischen Fanatiker 2004. Seitdem wurde das Einwanderungsrecht verschärft. Vergangene Woche kündigte Einwanderungsministerin Rita Verdonk an, Burkas und andere Gesichtsschleier in der Öffentlichkeit verbieten zu wollen.

Die Sozialdemokraten kritisierten dies als zu drastisch und kündigten an, tausende illegal im Land lebende Ausländer einbürgern zu wollen. Sie wandten sich aber nicht grundsätzlich gegen Einwanderungsbeschränkungen und konzentrierten sich im Wahlkampf stärker auf die Sozialpolitik der Regierung, die sie als herzlos verurteilten.

Mit zwei Sitzen ist erstmals die "Partei für die Tiere" vertreten, die mit der Unterstützung vieler Prominenter einen intensiven Wahlkampf für eine Ausweitung des Tierschutzes betrieben hatte.

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