Niederlande:Niederländer gegen Ukraine-Abkommen der EU

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Der deutliche Vorsprung der Europa-Skeptiker beim Referendum bringt Premierminister Rutte in Bedrängnis. Trotz geringer Wahlbeteiligung.

Von Frank Nienhuysen, München

Die Niederländer haben in einem Referendum mit deutlicher Mehrheit gegen das EU-Abkommen mit der Ukraine gestimmt und damit Regierungschef Mark Rutte in ein Dilemma gestürzt. Das Ergebnis dürfte auch die Debatte über den Zustand Europas verschärfen und Europa-Kritikern Auftrieb geben. 61 Prozent votierten am Mittwoch nach ersten Ergebnissen gegen das Assoziierungsabkommen, das die Ukraine wirtschaftlich sowie in Fragen von Demokratie und Rechtsstaat eng an die Europäische Union heranführen soll. Zwar blieb am Wahlabend lange offen, ob die nötige Wahlbeteiligung von 30 Prozent tatsächlich erreicht wurde. Nach Auszählung von 85 Prozent der Stimmen lag die Beteiligung jedoch bei 32 Prozent.

Die Niederlande sind das einzige von 28 EU-Ländern, das den Vertrag noch nicht ratifiziert hat. Der Ausgang der Volksabstimmung ist für die Haager Regierung, die das Abkommen bereits unterzeichnet hat, zwar nicht bindend. Für Premier Rutte ist die Ablehnung allerdings eine Niederlage.

Die Niederlande sind Gründungsmitglied der Europäischen Union und haben derzeit sogar den EU-Ratsvorsitz. Rutte hatte am Mittwoch seine Landsleute dazu aufgerufen, mit Ja zu votieren. Am Abend gestand er dem Nein-Lager zu, "überzeugend" gewonnen zu haben. "Wenn das Referendum gültig ist, dann können wir den Vertrag nicht einfach so ratifizieren", sagte er. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte gewarnt, dass ein Nein beim Referendum eine "europäische Krise" auslösen könne. Bereits im Juni entscheiden die Briten in einer Volksabstimmung, ob Großbritannien in der EU bleiben oder aus ihr austreten soll. Juncker befürchtet offenbar, dass das Ergebnis in den Niederlanden die Stimmung bei den Briten beeinflussen könnte.

Das Referendum in den Niederlanden war von zwei europakritischen Initiativen erzwungen worden. Sie machten deutlich, dass es ihnen weniger um die Ukraine an sich gehe, als um die Sorge vor einem Souveränitätsverlust der Nationalstaaten in der EU. Der Leiter des Bürgerkomitees, Arjan van Dixhoorn, der die Nein-Kampagne mit anführte, sagte dem NRC Handelsblad, er nutze jede Gelegenheit, "um Spannungen im Verhältnis zwischen den Niederlanden und der EU zu erzeugen."

Andere Kritiker des Assoziierungsabkommens befürchten, dass der Vertrag mit der Ukraine unausweichlich zu einer EU-Vollmitgliedschaft des osteuropäischen Landes führen werde. Das ist allerdings nicht der Fall. Ministerpräsident Rutte hat sich sogar gegen die Aufnahme der Ukraine ausgesprochen, in der Korruption noch immer stark verbreitet ist. Vielen Niederländern war die Erweiterung um zehn neue EU-Mitglieder 2004 zu schnell gegangen. 2005 stimmte die Bevölkerung gegen die neue europäische Verfassung.

Ein Rückschlag ist das Ergebnis auch für die Ukraine. Deren Präsident Petro Poroschenko warnte, dass sein Land nicht zum Opfer einer niederländischen Debatte über die Zukunft der EU werden dürfe. Vor zwei Jahren hatte der damalige Präsident ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch den bereits geplanten EU-Vertrag auf Druck Russlands plötzlich abgelehnt und so den Massenprotest auf dem Maidan ausgelöst.

© SZ vom 07.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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