Sarkozys Comeback:Nach Hause in den Elysée-Palast

Nicolas Sarkozy

"Wie ein Tsunami" möchte Nicolas Sarkozy in die französische Politik zurückkehren. Ob er das schafft, ist zweifelhaft.

(Foto: AP)

Frankreichs Ex-Präsident Sarkozy lässt sich demnächst zum Chef der zerstrittenen Konservativen wählen. Doch wird er auch deren Kandidat für die Präsidentschaftswahl? Sogar sein alter Erzfeind Chirac rappelt sich noch einmal auf, um das zu verhindern.

Von Christian Wernicke, Paris

Der Kandidat der Erneuerung, er ist ganz der Alte geblieben. Sein Körper bebt, da Nicolas Sarkozy oben auf der Bühne in einem blauen Ledersessel sitzt. In der linken Hand hält er das Saalmikrofon, seine rechte kreist durch die Luft. Mal ballt er die Faust, dann wieder erhebt er den Zeigefinger. Wie jetzt, da er seine mehr als 2000 Anhänger im Festsaal von Vélizy nahe Paris darüber belehrt, welches Unrecht ihm täglich widerfährt.

Soeben hat ein junger Fan den ehemaligen Präsidenten und wiedergekehrten Hoffnungsträger von Frankreichs konservativer Oppositionspartei UMP gefragt, wie er denn die Justiz der Nation reformieren wolle. Sarkozy nutzt den Einwurf zum Plädoyer in eigener Sache. Er legt seine Stirn in Furchen, er versichert, als ehemaliges Staatsoberhaupt stehe er nicht über dem Gesetz: "Aber ich habe auch nicht die Absicht, darunter zu stehen." All die Affären, die man ihm andichte - Sarkozy mag darüber, überaus heftig, nur den Kopf schütteln. Ein bitteres Lächeln huscht dem 59-Jährigen übers Gesicht, dann flüchtet er sich in Sarkasmus: "Es muss gut bestellt sein um die Sicherheit in Frankreich, wenn man wirklich nur mich als Straftäter hat", sagt er und hält inne. Im Saal erhebt sich ein erstes Kichern, da legt Sarko einen drauf: "Dann können Sie Ihre Kinder ruhig auf die Straße lassen!"

Er sieht sich als Opfer der feindlichen Justiz

Da johlt der Saal, und Sarkozy genießt den langen lauten Beifall wie warmen Regen. Sarkozy redet gern über sich, und er räumt offen ein, all die justiziellen "Verfolgungen" hätten ihn "nur bestärkt" in seiner Entscheidung, sich wieder einzubringen in die Politik. Bei jedem seiner bisher fünf Auftritte beschreibt sich Sarkozy als Opfer einer feindlichen, weil linken Justiz.

Und jedes Mal zelebriert er ein kleines Ritual: "Wer gibt meine Ehre zurück?" ruft er dann ins Mikrofon, um dann- wie in Vélizy - von seinen Parteifreunden dasselbe Echo zu vernehmen: "Nous!". Wir!

Nur, dieses neue Wir-Gefühl mag sich in Frankreichs bürgerlicher Oppositionspartei nicht überall ausbreiten. Sarkozy, Frankreichs politischem Wirbelwind, ist es nicht wie von ihm erhofft gelungen, seine UMP im Sturm zurückzuerobern. Zwar zweifelt niemand daran, dass er Ende November per Urwahl die Führung dieser verbrauchten, von Skandalen und Zankereien zerschlissenen Partei erobern wird. Aber darum geht es Sarkozy ja nicht: Sein Ziel ist die wirkliche Macht, er will als Spitzenkandidat einer bis dahin neuen Bewegung 2017 die Präsidentschaftswahl gewinnen. Und heim in den Élysée-Palast.

Ein Comeback "wie ein Tsunami"

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Auf seine vielen Skandale und Politaffären angesprochen, hat Nicolas Sarkozy stets eine wütende Antwort: An allem ist die linke Justiz schuld.

(Foto: Stephane de Sakutin/AFP)

Dass ihm diese Rückeroberung gelingt, ist heute weniger sicher, als Sarkozys Getreue vor nur einem Monat noch geglaubt hatten. Anfang September hatte seine Entourage verbreitet, das Elend der sozialistischen Regierung sowie die Krise der UMP seien so groß, so fundamental, dass ihr Idol "wie ein Tsunami" Frankreichs politische Landschaft erschüttern werde. Es ist nicht die Serie anhängiger Justizaffären, die Sarkozy ausbremst. Ihm stellt sich, allen voran in der Person seines früheren Außenministers Alain Juppé, eine Alternative und damit offener Widerstand entgegen.

Juppé, inzwischen 69, ist Sarkozys Antipode. Der Bürgermeister von Bordeaux strahlt Ruhe aus, er wirkt ausgeglichen und verspricht einen moderateren Kurs als sein Ex-Präsident. Juppé grenzt sich klarer vom rechtsextremen Front National ab. Und er zieht weniger als Sarkozy den Hass der Linken auf sich. Entscheidend aber ist: Juppé, der vermeintliche Technokrat, gewinnt zunehmend Sympathien bei jenen Franzosen, die an der für 2016 anstehenden Ur-Wahl eines bürgerlichen Präsidentschaftskandidaten teilnehmen wollen.

Eine neue Umfrage des Nouvel Observateur unter Anhängern der Rechten und der Mitte sieht diese Woche erstmals Juppé klar vor Sarkozy, mit immerhin 47 gegenüber 35 Prozent Zustimmung. Nur bei der (kleineren) Schar eingefleischter UMP-Anhänger schneidet Sarkozy besser ab (51 Prozent, gegenüber 37 für Juppé). Und fragt man alle Franzosen, so bekunden zwei von dreien, Sarkozys Rückkehr in die Politik sei "eine schlechte Sache".

Selbst die Aristrokratie der Partei ist gespalten

Frankreichs bürgerliches Lager beginnt sich zu ordnen. Der Kampf um die Präsidentschaftskandidatur 2017 - nach fast allen Umfragen gleichbedeutend mit dem Eintrittsticket für den Élysée - verengt sich zu einem Zweikampf. Andere Anwärter, wie etwa Ex-Premier François Fillon, fallen zurück. Die Wahl zwischen Sarkozy und Juppé beginnt selbst die Aristokratie der Partei zu spalten.

Jacques Chirac, der schwerkranke frühere Präsident, raffte sich vorige Woche zu einer Art Liebeserklärung an Juppé auf: "Wenn ich die Kraft hätte, ich hätte mir längst meinen Platz reserviert im Hauptquartier" seiner Kampagne, vertraute Chirac dem Figaro an. Der alte Mann stellte sich damit gegen seine Frau Bernadette, die seinen Schützling zuvor als "kalt" abgekanzelt und Sarkozy bevorzugt hatte. Nachdem inzwischen auch Tochter Claude, die Verwalterin des politischen Familienerbes, sich für Juppé ausgesprochen hat, steht es im Hause Chirac 2:1 für den Mann aus Bordeaux.

Sarkozy muss hoffen, dass ihm die voraussichtliche Wahl zum Parteichef neuen Elan schenkt. Er will alles ändern, alles neu machen - den Namen, das Programm, die Riege seiner Vertrauten. Und doch muss er fürchten, dass ihn am Ende immer wieder die Vergangenheit einholt. Die alten Geschichten.

Einige Affären um Parteispenden und mutmaßliche Korruption hat er ausgestanden. Aber andere bauen sich erst auf. Diese Woche eröffneten Untersuchungsrichter ein neues Verfahren gegen ihn - wegen des Verdachts der Untreue. Damit hat Sarkozy nun persönlich den "Bygmalion-Skandal" am Hals. Bygmalion hieß jene PR-Firma, die Sarkozys Großveranstaltungen während des Wahlkampfs 2012 inszenierte - und anschließend rechtswidrig Rechnungen nicht an dessen Wahlkampfzentrale, sondern bei der UMP-Parteikasse einreichte. Mehr als 18 Millionen Euro wurden so fälschlich verbucht. Inzwischen vernimmt die Polizei Vertraute des ehemaligen Präsidenten, darunter den früheren UMP-Generaldirektor Eric Césari. Der Mann hatte im Parteihaus einen Spitznamen: "das Auge Sarkozys". Sein alter Chef will nichts gewusst haben.

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