New York:Zu viel Nähe

Gouverneur Cuomo will die U-Bahn-Anrainer schröpfen.

Von Claus Hulverscheidt

Wer sich eine Eigentumswohnung an der Ostseite des New Yorker Central Parks leisten kann, gehört für gewöhnlich nicht zu jenen Menschen, die zwingend auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind. Und dennoch freuten sich viele Immobilienbesitzer an der Upper East Side im letzten Jahr wohl wie die Schneekönige, als nach zehnjähriger Bauzeit ein paar Hundert Meter weiter ein neuer Abschnitt der U-Bahn-Linie Q eröffnet wurde: drei schicke neue Bahnhöfe in einer eigentlich guten Gegend, die mangels Anbindung an das Streckennetz der Nahverkehrsgesellschaft MTA aber ein bisschen in Vergessenheit geraten war. Schon nach wenigen Wochen berichteten Einzelhändler, Friseure, Kneipiers und andere Gewerbetreibende von höheren Kundenzahlen - und von steigenden Immobilienpreisen.

Dass Gebäude und Grundstücke an Wert gewinnen, wenn der Staat ein Stadtviertel durch eine Bahnlinie, eine Autobahnzufahrt oder eine Brücke aufwertet, ist ein bekanntes Phänomen, das auch nicht auf New York beschränkt ist. In wenigen anderen Städten jedoch dürften zugleich der Geldbedarf bei der U-Bahn so groß und die öffentlichen Kassen so leer sein. Kein Wunder also, dass Andrew Cuomo, der Gouverneur des Bundesstaats New York, darüber sinniert, wie sich Teile des warmen Geldregens abzweigen lassen, der regelmäßig auf die Anrainer neuer Infrastrukturprojekte niedergeht. Der Fachbegriff lautet "value capture", was etwa so viel heißt wie: Gewinnabschöpfung.

Die Idee ist einfach: Vor Baubeginn werden die Immobilienpreise in einem Radius von beispielsweise eineinhalb Kilometern um einen neuen Bahnhof mit denen in einem größeren Umkreis verglichen. Legt nach Bauabschluss der Wert der Häuser in Bahnhofsnähe überdurchschnittlich zu, wird dieses Extra-Plus auch extra besteuert. Allerdings sind viele Details offen, etwa ob man einfach die bisherige Grundsteuer erweitert oder eine Zusatzsteuer einführt. Gleiches gilt für die Frage, ob die Abgabe auf alle oder nur auf gewerblich genutzte Gebäude fällig werden soll. 75 Prozent der Mehreinnahmen, so schwebt es Cuomo vor, sollen an die MTA, 25 Prozent an die Stadt New York fließen.

Bislang allerdings spielen weder das Landesparlament in Albany noch New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio mit. Im Gegenteil: Staat und Stadt, die als Eigentümer und Betreiber der U-Bahn in einer unheilvollen Allianz verbandelt sind, streiten wie die Kesselflicker. Das Gegenteil wäre neu, denn die demokratischen Parteifreunde Cuomo und de Blasio sind sich so spinnefeind, dass der eine dem anderen das Schwarze unter den Fingernägeln nicht gönnt. Auch heißt es von beiden, sie sähen New York auf ihrer politischen Reise nicht als Ziel, sondern eher als Zwischenstopp. Endstation: 1600 Pennsylvania Avenue in Washington. Weißes Haus.

Wie die Sache mit der U-Bahn-Steuer ausgeht, ist also ungewiss. So oder so soll sie nicht für erledigte, sondern nur für künftige Vorhaben gelten, etwa für den weiteren Ausbau der Linie Q oder gar die neue Linie T vom Finanzdistrikt nach Harlem. Zumindest die betuchten Central-Park-Anrainer können dennoch nicht aufatmen, denn auch de Blasio will der MTA mehr Geld zuschanzen. Zwar plant er keine U-Bahn-Abgabe. Wohl aber eine Millionärssteuer.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: