Neuregelung von Hartz IV:Zur Not auch ohne Chipkarte

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen legt ihren Gesetzentwurf zur Neuregelung von Hartz-IV-Bezügen vor - und distanziert sich dabei von ihren eigenen Vorschlägen.

Bildung schon, Chipkarte nicht unbedingt: Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will bei der Umsetzung des Bildungspakets für zwei Millionen Kinder und Jugendliche in Hartz-IV-Familien vorerst nicht auf einer Chipkarte bestehen. Ihr Gesetzentwurf für die Umsetzung der vom Verfassungsgericht geforderten neuen Leistungen lasse Spielraum in den einzelnen Bundesländern, hieß es nun aus dem Arbeitsministerium. Um Nachhilfeunterricht oder Gebühren für einen Verein abzurechnen, seien auch Gutscheine vorstellbar. Vor allem aus der CSU in Bayern gibt es bisher Widerstand gegen eine Bildungskarte.

Bundestag - von der Leyen

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im Plenarsaal des Bundestages. Dort soll noch in diesem Herbst ein neues Gesetz zur Regelung der Hartz-IV-Bezüge verabschiedet werden.

(Foto: dpa)

Von der Leyen wollte im Laufe des Montag ihren Gesetzentwurf zur Abstimmung an die übrigen Ministerien verschicken. Zur Verabschiedung ist sie auf die Zustimmung des Bundesrates angewiesen. Das Gesetz soll zum Januar 2011 in Kraft treten. Die Höhe der Regelsätze soll erst in der kommenden Woche ergänzt werden. Der Gesetzentwurf schildert vorerst nur das Verfahren zur Berechnung des Existenzminimums.

So soll das Arbeitslosengeld II für Hartz-IV-Bezieher im Gleichschritt mit Preisen und Löhnen steigen. Bisher ist die jährliche Erhöhung an die Rentenanpassung zum 1. Juli eines Jahres gekoppelt. Anders als bei der Rente ist aber keine Garantie vorgesehen, dass das Arbeitslosengeld II bei sinkenden Löhnen und Preisen nicht gekürzt wird. Im Ministerium wurde das damit begründet, dass dies verfassungsrechtlich nicht möglich sei. Sinkende Löhne und Preise seien aber selten.

Zudem werden in dem Gesetzesentwurf die Bildungsleistungen für Kinder in Hartz-IV-Familien beschrieben. Die Kinder erhalten vom nächsten Jahr an Anspruch auf zusätzliche Leistungen. So sollen die Jobcenter unter anderem Kosten für Nachhilfeunterricht, Schulmaterial und eintägige Schulausflüge übernehmen. Wenn Kindergärten und Schulen ein Mittagessen anbieten, wird auch dies übernommen.

Finanzministerium zeigt sich von den Plänen alarmiert

Bei der Umsetzung des Bildungspakets wirbt die Ministerin dafür, die zusätzlichen Kinderleistungen über eine neue elektronische Chipkarte abzurechnen. Diese soll im nächsten Jahr zunächst in Modellregionen erprobt werden. Einige Länder wie Bayern haben zwar nichts dagegen, dass das neue Paket für Kinder überwiegend als Sach- und Dienstleistung erbracht wird und nicht als Geldzahlung auf das Konto der Eltern fließt - eine Chipkarte haben CSU-Politiker bisher aber abgelehnt.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar entschieden, dass die Politik bis Ende dieses Jahres den Bedarf von Kindern neu berechnen muss. Ausgaben für Bildung waren bisher nicht berücksichtigt. Bisher wurde ihr Bedarf als Prozentsatz des Existenzminimums von Erwachsenen festgelegt. Je nach Alter bekommen sie derzeit 60 bis 80 Prozent des Regelsatzes von monatlich 359 Euro für Erwachsene - das sind zwischen 215 und 287 Euro monatlich.

Neu geschaffen wird die Möglichkeit, dass Kommunen die Erstattung der Wohnungs- und Heizkosten für Hartz-IV-Bezieher in eine Pauschale umwandeln können. Zum Existenzminimum von Langzeitarbeitslosen werden in Zukunft auch die Kosten eines Internetanschlusses und die Praxisgebühr von zehn Euro gezählt. Diese Ausgaben würden bei der Neuberechnung des monatlichen Hartz-IV-Regelsatzes mitberücksichtigt, hieß es am Montag aus dem Bundesarbeitsministerium. Das Ministerium ließ aber offen, ob im Gegenzug andere Ausgabenposten gestrichen würden.

Finanzministerium und die Haushaltspolitiker der Koalition sind von den Plänen offenbar alarmiert. "Die vom Bundesverfassungsgericht angeordnete Neuberechnung der Regelsätze droht zum echten Haushaltsrisiko zu werden", sagte ein Regierungsvertreter dem Handelsblatt. Das Finanzministerium fürchte, dass die Vorsorge von 480 Millionen Euro im Etat für die Reform nicht reichen könnte. "Wir erwarten, dass die notwendigen Schritte im Rahmen der getroffenen Vorsorge umgesetzt werden", sagte Unions-Fraktionsvize Michael Meister (CDU). Zusätzliche Ausgaben, die das strukturelle Defizit des Bundes erhöhten, werde man nicht mittragen. FDP-Haushälter Otto Fricke forderte die Ministerin auf, Mehrkosten für die Hartz-IV-Reform an anderer Stelle einzusparen. Er betonte: "Möglichkeiten hierzu gibt es in einem 131,8 Milliarden Haushalt."

Im Laufe der Woche wollen sich laut Handelsblatt die Staatssekretäre der zuständigen Ministerien zu einem Gespräch über die finanziellen Effekte treffen. Am Ende müsse die Kanzlerin zusammen mit dem Finanzminister entscheiden, sagte ein Kabinettsmitglied der Zeitung. FDP-Generalsekretär Christian Lindner verlangte, die Ministerin solle im Zuge der Reform auch eine Korrektur der Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger vornehmen. "Die bisherigen Regelungen bieten keinen wirklichen Anreiz sich zu engagieren." Er forderte, dass sie "insbesondere im Bereich von mittleren Einkommen, also oberhalb von 400 Euro, so verändert werden, dass es eine echte Leiter in den ersten Arbeitsmarkt gibt".

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