Neuregelung des Strafverfahrens:Der Deal wird Gesetz

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Nach dem Bundestag billigt nun auch der Bundesrat Absprachen im Strafprozess. Statt amtlicher Wahrheitssuche steht nun der Konsens im Mittelpunkt - Kritiker befürchten zu niedrige Strafen.

Heribert Prantl

Das deutsche Strafverfahren steht vor dem größten Umbruch seit Inkrafttreten der Strafprozessordnung 1877: Nachdem schon im Mai der Bundestag das Gesetz über die Einführung des sogenannten Deals beschlossen hatte, stimmte nun auch der Bundesrat zu. Die Mehrheit der Länder wollte den Vermittlungsausschuss nicht anrufen.

Nach dem Bundestag billigt nun auch der Bundesrat Absprachen im Strafprozess: Die amtliche Wahrheitssuche wird vom Konsensprozess abgelöst. (Foto: Foto: ddp)

Das neue "Gesetz zur Regelung von Absprachen im Strafverfahren" erlaubt einen Handel zwischen dem Angeklagten, seinem Verteidiger, dem Staatsanwalt und dem Gericht. Das Gesetz nennt diesen Handel "Verständigung". Wichtigster Bestandteil dieser Verständigung ist ein Geständnis oder Teilgeständnis des Angeklagten. Dafür wird ihm eine bestimmte milde Strafe zugesagt beziehungsweise ein Rahmen ("Ober- und Untergrenze") angegeben, in dem die Strafe liegen wird.

Der Deal kommt zustande, "wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichts zustimmen" - in einer öffentlichen Verhandlung. Der bisherige Strafprozess, in dessen Zentrum die amtliche Wahrheitssuche und die Beweisaufnahme standen, wird somit abgelöst vom Konsensprozess, in dessen Mittelpunkt die Zustimmung des Beschuldigten steht.

Das Gesetz legalisiert eine Praxis, die zumal in den Wirtschaftsstrafprozessen schon lang üblich geworden ist. Komplizierte Prozesse können so stark abgekürzt werden. Ein Geständnis ersetzt die langwierige Beweisaufnahme. Der große Senat des Bundesgerichtshofs für Strafsachen hatte 2005 in einem Beschluss den Deal als "richterliche Rechtsfortbildung" akzeptiert und Regeln für ihn auf- gestellt. Das jetzige Gesetz hält sich überwiegend an diese Regeln. Gleichwohl dauert der Protest dagegen an.

Insbesondere die Strafrechtswissenschaft reagiert mit Fundamentalkritik und Empörung: Der Münchner Ordinarius Bernd Schünemann kritisiert den Deal seit Jahren als "Wetterzeichen vom Untergang der deutschen Rechtskultur".

Winfried Hassemer, ehemals Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts sagt: "Wenn ich das Wort Konsens im Zusammenhang mit Strafrecht höre, sträuben sich bei mir die Nackenhaare." Klaus Tolksdorf, Präsident des Bundesgerichtshofs, nennt die Praxis des Deals "verheerend". Er bemängelt vor allem, dass zu niedrige Strafen verhängt und Geständnisse ungeprüft akzeptiert würden. Er erhoffte sich vom Gesetzgeber eine Einschränkung der bisher im Gerichtssaal üblichen Praktiken.

Andere Kritiker gehen davon aus, dass es nun kein Halten mehr gibt. Zu ihnen gehört Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU), die am Freitag im Bundesrat gegen das Deal-Gesetz gestimmt hat. Sie sagte der SZ, Absprachen im Strafprozess müssten in einem Rechtsstaat "extremer Ausnahmefall" bleiben. Das neue Gesetz mache daraus aber den Normalfall.

Mit der Billigung Dutzender weiterer Gesetze ging der Bundesrat in die Sommerpause: So stimmte er der Steuerentlastung von 13 Milliarden Euro zu, billigte die stärkere Bekämpfung der Steuerflucht, das Gründen von Bad Banks, die Begrenzung von Manager-Gehältern, das Gesetz gegen Rentenkürzungen, mehr Datenschutz, ein schärferes Waffenrecht, ein einheitliches Naturschutz- und Wasserrecht, die Gültigkeit von Patientenverfügungen, Internetsperren gegen Kinderpornographie und eine bessere Geheimdienstkontrolle.

© SZ vom 11.07.2009/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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