Steuerdebatte in der FDP:Rösler mimt den Haushälter

Steuerentlastungen ja, aber mit Realismus: Die FDP dürfe die Lage der öffentlichen Haushalte nicht aus dem Blick verlieren, fordert der designierte Parteichef Philipp Rösler. Derweil melden Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und Wirtschaftsminister Brüderle Interesse am Vize-Parteivorsitz an.

In der FDP wird der Ruf nach mehr Realismus in der Steuerdebatte lauter. Der designierte Parteivorsitzende Philipp Rösler betonte im Gespräch mit der Bild-Zeitung die Notwendigkeit der Haushaltssanierung. Steuerentlastungen müssten zwar kommen, zugleich dürfe die FDP aber die Lage der öffentlichen Haushalte nicht aus dem Blick verlieren. Man müsse nun "schauen, wann und welche Spielräume sich ergeben".

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) designierter FDP-Chef

Fordert mehr Realismus in der Steuerdebatte: der designierte FDP-Vorsitzende Philipp Rösler.

(Foto: dpa)

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nannte die Haushaltskonsolidierung "mindestens ebenso wichtig" wie Steuererleichterungen. Es habe "keinen Sinn, Steuersenkungen zu fordern, solange die Chancen schlecht sind, sie auch durchzusetzen", sagte sie dem Hamburger Abendblatt. Das koste nur Glaubwürdigkeit.

Gleichzeitig meldete Leutheusser-Schnarrenberger Interesse am stellvertretenden FDP-Bundesvorsitz an - und wird damit beim FDP-Bundesparteitag Ende Mai offenbar gegen Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle antreten, der erneut für das Amt kandidieren will. Leutheusser-Schnarrenberger werde zunächst mit dem designierten Parteichef Rösler darüber sprechen, "wie er sich das künftige Team vorstellt".

Brüderle sagte der Mainzer Allgemeinen Zeitung auf die Frage nach seiner Kandidatur, das Parteipräsidium sollte "eine gute Mischung aus jung und erfahren, aus männlich und weiblich sein." Zugleich mahnte Brüderle zur Besonnenheit. "Wir brauchen uns nicht neu zu erfinden, wir müssen uns vielmehr auf unseren Markenkern konzentrieren." Der bestehe aus den Säulen soziale Marktwirtschaft, Wettbewerb und Bürgerrechten. Zudem sei man sich über einen Atomausstieg einig.

Insgesamt wünschen sich viele führende Liberale ein Ende der parteiinternen Personaldebatte. "Wir sollten jetzt aufhören, über Ministerposten und andere Personalien öffentlich zu diskutieren", forderte Leutheusser-Schnarrenberger. Die FDP sei in einer Existenzkrise, "da erwarten die Bürger, dass Inhalte im Vordergrund stehen".

Die inhaltliche Neuorientierung soll sich nach Rösler an der Lebensrealität der Bürger ausrichten. "Die Alltagssorgen der Normalbürger müssen für die FDP künftig wieder im Mittelpunkt stehen", so der Gesundheitsminister. Die Liberalen müssten "stärker aufnehmen, was die Menschen draußen bewegt - und die müssen das Gefühl haben, dass wir uns um sie kümmern". Als Beispiele nannte Rösler Fragen zu Euro, Rente und Kinderbetreuung.

Tauziehen in der Koalition um Internetsperrung

In der Koalition muss sich die FDP währenddessen mit der Union auseinandersetzen, die Gegenleistungen im Sicherheitsbereich einfordert. Für den geplanten Verzicht auf die Sperrung kinderpornographischer Seiten im Internet fordern führende Unions-Abgeordnete ein Entgegenkommen der FDP bei den Anti-Terror-Gesetzen. "Einen Verzicht auf Internetsperren gegen Kinderpornographie wird es nur geben, wenn gleichzeitig zahlreiche befristete Anti-Terror-Befugnisse der Geheimdienste entfristet werden", sagte Fraktionsvize Günter Krings (CDU) der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Die 2007 verlängerten und teilweise erweiterten Befugnisse von Bundesnachrichtendienst, Militärischem Abschirmdienst und Bundesverfassungsschutz werden Anfang 2012 auslaufen. Sie ermächtigen die Geheimdienste unter anderem Konto-, Fluggast- und Telekommunikationsdaten abzufragen, Mobiltelefone zu orten, auf Fahrzeug- und Halterdaten zuzugreifen, den Postverkehr zu prüfen oder Wohnungen abzuhören. Krings warnte die FDP davor, eine Verlängerung der Befugnisse zu blockieren, während man über Terrorgefahren für deutsche Reaktoren debattiere.

Hintergrund der Debatte ist das Bestreben der Koalition, das Netzsperre-Gesetz der schwarz-roten Vorgängerregierung zu kippen, das von Internetaktivisten als Einstiegstor für Zensur gesehen wird. Laut Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat die FDP die Union überzeugt, das Löschen kinderpornographischer Seiten sei "das richtige und effektive Mittel". Die Koalition hatte das Gesetz bereits 2009 ausgesetzt, um das Löschen zu testen.

Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, kritisierte den geplanten Verzicht auf Internetsperren. "Das ist dem Druck aus der Internet-Gemeinde geschuldet, bei der eine hochnervöse FDP offensichtlich als Bürgerrechtspartei punkten will."

Eine Debatte über neue Koalitionsoptionen mit SPD und Grünen lehnte Rösler trotz der Spannungen innerhalb der Koalition ab. "In Niedersachsen war ich Minister in einer gut funktionierenden schwarz-gelben Koalition. In Berlin bin ich das auch", sagte er der Bild-Zeitung. Die FDP stehe für Verlässlichkeit. "Warum also sollte ich über andere Farbenspiele sinnieren?"

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