Neues Unterhaltsrecht:Erst die Kinder, dann die Frau

Vor allem Ehefrauen dürfen nach der Scheidung nicht mehr mit langen Unterhaltszahlungen rechnen. Die Reform sieht vor, dass sie sich nach einer Frist eine Arbeit suchen müssen - erst recht, wenn sie kinderlos sind. Kinder sollen künftig besser gestellt werden.

Helmut Kerscher

Kenner des Familienrechts vergleichen eine Scheidung schnöde mit einem Konkurs. Das Unternehmen Ehe sei gescheitert, nun müsse man die Reste verteilen. Genau daran erinnert der Kern des von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) jetzt erneut vorgestellten "Regierungsentwurfs zur Reform des Unterhaltsrechts".

Es geht vor allem um die Verteilung des Mangels, genauer: um die Reihenfolge der oft vielen Unterhaltsgläubiger, wenn das Geld von Unterhaltspflichtigen - meistens der Ehemänner - nicht für alle reicht.

Den begehrten ersten Rang hat die schwarz-rote Koalition, - nicht anders als vor Jahresfrist die rot-grüne, unter Zypries' Federführung zur Förderung des Kindeswohls - den minderjährigen Kindern zugedacht.

Diesen Rang müssen sich die Kinder derzeit noch mit aktuellen und geschiedenen Ehegatten des unterhaltspflichtigen Elternteils, fast immer des Vaters, teilen.

Weil das oft hinten und vorne nicht ausreicht, sind minderjährige Kinder häufig auf Sozialhilfe angewiesen. Ihre Zahl wurde für Ende 2004 mit 1,12 Millionen angegeben, was 38,4 Prozent aller Sozialhilfeempfänger entsprach.

Zypries erhofft sich von der Reform nun einen spürbaren Rückgang der Zahl minderjähriger Sozialhilfeempfänger. Ihr Hauptargument für die künftige Alleinstellung der Kinder auf Platz eins: Kinder können keinesfalls für ihren Unterhalt sorgen, Erwachsene eventuell schon.

Lebensstandard kein Maßstab mehr

Sollte es nach Erfüllung dieser Unterhaltsansprüche und nach dem Abzug des "Selbstbehalts" des Zahlungspflichtigen noch etwas zu verteilen geben, wird der zweite Rang interessant. Auf diesen verweist der Regierungsentwurf eine bunt gemischte Gruppe von Erwachsenen.

Zum einen finden sich dort alle Elternteile, die gerade Kinder betreuen - verheiratete, geschiedene, Alleinerziehende. Zum andern werden auch Geschiedene privilegiert, wenn sie eine "Ehe von langer Dauer" geführt haben. Als Beispielsfall nennt das Justizministerium einen Mann, der nach 20-jähriger, so genannter Hausfrauen-Ehe mit zwei volljährigen Kindern geschieden wird, erneut heiratet und auch mit der zweiten Ehefrau zwei Kinder hat.

Er muss nach Abzug eines geringen "Selbstbehalts" erst die Unterhaltsansprüche aller Kinder erfüllen. Den etwaigen Rest müssen sich die beiden Frauen teilen: Die Ehefrau hat einen Unterhaltsanspruch wegen Betreuung minderjähriger Kinder, die "Ex" wegen einer Ehe von langer Dauer.

Zypries will damit veranschaulichen, dass ihre Reform vor allem das Kindeswohl betont, aber gerade bei langen Ehen auch die Bedeutung der nachehelichen Solidarität. Zur Förderung des Kindeswohls möchte sie auch nicht-verheiratete Mütter und Väter besser stellen, die ein Kind betreuen.

Die Unterhaltsrechtsreform geht zu Lasten geschiedener Ehefrauen, besonders kinderloser, nach kurzer Ehe. Unter dem Schlagwort "Stärkung der nachehelichen Eigenverantwortung" sollen die Gerichte Unterhaltsansprüche von geschiedenen Ehegatten mehr als bisher befristen und in der Höhe beschränken können.

Zypries begründet dies vor allem mit der Zunahme von Scheidungen in den ersten Jahren nach der Heirat und mit der Zunahme von "Zweitfamilien". Für Letztere bleibe heute oft zu wenig übrig. Sie will vor allem geschiedene Frauen zum Wiedereinstieg in den erlernten Beruf ermuntern.

Dies sei nach der heutigen Rechtslage oft wenig attraktiv, da sich die Unterhaltsansprüche nach den oft komfortablen "ehelichen Lebensverhältnissen" bemessen. Der damals erreichte Lebensstandard soll künftig nur noch einer von mehreren Maßstäben dafür sein, ob nach der Scheidung wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen werden muss.

Ob Geschiedenen mit kleinen Kindern eine Erwerbsarbeit zugemutet werden kann, soll mehr als bisher von den konkret vorhandenen Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder abhängen.

Außer der Verschärfung der "nachehelichen Eigenverantwortung" hat der Entwurf aber auch eine Verbesserung für den schwächeren Teil parat: Ein vertraglicher Verzicht auf Unterhaltsansprüche soll nur noch wirksam sein, wenn er notariell beurkundet wird.

Als weiteres Ziel nennt Justizministerin Zypries die "Vereinfachung des Unterhaltsrechts". So soll es zum einen künftig einen einheitlichen Mindestunterhalt für minderjährige Kinder geben, der sich am steuerlichen Kinderfreibetrag orientieren wird.

Zum andern will die Regierung die Verrechnung des Kindergelds vereinfachen und verbessern. Als Vorbild dient ein vor kurzem veröffentlichtes BGH-Urteil, wonach das Kindergeld nur den unterhaltspflichtigen Elternteil entlasten soll.

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