Neues Mahnmal zum 13. Februar 1945:Dresden, das Opfer

"Das würde die Arbeit der vergangenen drei Jahre kaputt machen": In Dresden entsteht derzeit ein Mahnmal für die Opfer des 13. Februar 1945. Während die Stadt vor allem individuelles Gedenken fördern will, fürchten sich Aktivisten vor einem Pilgerort für Neonazis.

Von Antonie Rietzschel

Die Mauern aus hellem Sichtbeton stehen schon. Sie bilden die Außenwände einer kleinen Kapelle, die wie eingequetscht wirkt zwischen den würfelförmigen, modernen Bauten. Früher stand hier - mitten in der Dresdner Altstadt - die Sophienkirche. Den Bombenangriff am 13. Februar 1945 durch die Alliierten überstand sie schwer beschädigt, 1963 wurde die Ruine abgerissen. Die Fördergesellschaft Sophienkirche baut an dieser Stelle eine Gedenkstätte. Sie ist ein Nachbau der Busmannkapelle, einer Seitenkapelle der zerstörten Kirche.

Nach dem Willen der Stadt soll die Busmannkapelle ein Mahnmal für die Opfer der Bombenangriffe von 1945 sein. Im Oktober 2012 verabschiedeten im Dresdner Stadtrat CDU, FDP und Bürgerfraktion gegen den Widerstand von Grünen, SPD und Linken einen entsprechenden Beschluss. Darin ist festgelegt, dass die 19.000 bekannten Namen der insgesamt 25.000 Toten genannt werden. Der Fördergesellschaft kommt das entgegen: "Wir wurden vor allem von Menschen gegründet, die die Bombennacht noch miterlebt haben. Ihnen möchten wir ein individuelles Gedenken ermöglichen", sagt das Vorstandsmitglied Peter Schumann.

Als eine "überholte Erinnerungskultur" bezeichnete die Initiative BürgerCourage damals die Entscheidung. Während der Vorbereitungen zum Jahrestag des 13. Februar in diesem Jahr sagt Silvio Lang vom Bündnis Dresden Nazifrei: "Man stelle sich mal vor, dass der Name eines Juden, der sich versteckt gehalten hat, neben dem eines Mitgliedes der SS aufgeführt würde." Er befürchte, dass ein Pilgerort für Rechtsextreme geschaffen werde. "Das würde die Arbeit der vergangenen drei Jahre kaputt machen."

Gedenken oder Protest?

Gerade die Frage nach den Opfern macht den 13. Februar seit Jahren zu einem schwierigen Datum für die sächsische Hauptstadt - jedes Jahren missbrauchen Neonazis diesen Tag und veranstalten einen "Trauermarsch" durch die Stadt, um an den "Bombenholocaust" zu erinnern.

2005 demonstrierten 6500 Rechtsextreme in Dresden - damals der größte Neonaziaufmarsch in Europa. Wie bereits die Jahre zuvor trafen sich linke Gruppen zu Gegenprotesten. Und die Dresdner Bürger zündeten auf dem Theaterplatz Kerzen an. "Stilles Gedenken oder Protest. Damals gab es nur entweder - oder, beides ging nicht", sagt Frank Richter, Moderator der "AG 13. Februar", einem Zusammenschluss gesellschaftlicher Gruppen und Parteien wie CDU und Linke.

In den vergangenen drei Jahren hat sich die Lage leicht entspannt: Seit 2010 ruft die AG 13. Februar gemeinsam mit der Stadt zu einer Menschenkette auf, Tausende Bürger bilden zusammen mit Politikern einen symbolischen Schutzwall um die Altstadt. Ein Einschnitt sei das gewesen, sagt Frank Richter. "Bei dem einen schwingt verstärkt der Protest, bei dem anderen das stille Gedenken mit. Die Dresdner sind wacher geworden."

"Einfaches Gedenken" nicht möglich

2010 gelang es auch dem Bündnis "Dresden Nazifrei" erfolgreich die angemeldete Demonstration von 5000 angereisten Neonazis zu verhindern. 2011 standen 12.500 Demonstranten aus ganz Deutschland 3000 Rechtsextremen gegenüber und blockierten deren Demonstrationsstrecke. Die Demonstraten bewarfen die Polizei mit Flaschen und Pflastersteinen.

Der Freistaat Sachsen tut sich bis heute schwer mit der Protestform Blockade: Der sächsische Landtag entzog vor kurzem dem Grünen-Politiker Johannes Lichdi die Immunität, weil er wegen seiner Teilnahme an den Protesten 2011 angeklagt werden soll. Mitte Januar verurteilte das Dresdner Amtsgericht einen Mitarbeiter der Linken, Tim H., wegen Körperverletzung, besonders schweren Landfriedensbruchs und Beleidigung zu einer Haftstrafe von fast zwei Jahren ohne Bewährung.

Dennoch: "Die unterschiedlichen Gruppen haben gelernt, sich auszuhalten", sagt Frank Richter. Er betont, dass in der "AG 13. Februar" auch Aktivisten des Bündnisses Nazifrei vertreten sein. "Unser gemeinsamer Feind sind die Rechtsextremisten, deswegen respektieren wir die Menschenkette", sagt Silvio Lange. Rückblickend auf die vergangenen Jahre lässt sich sagen: Der "Feind" wurde vorerst zurückgedrängt.

Ein fragiler Zustand

Obwohl der 13. Februar auf einen Wochentag fällt, haben die Rechtsextremen keine zweite Demonstration für das Wochenende angemeldet und die Polizei erwartet lediglich 1000 Rechtsextreme. Doch Frank Richter warnt: "Dieser Zustand ist fragil." Er könne leicht an parteipolitischen Interessen zerbrechen. Richter mahnt, den erst neu eingesetzten städtischen Ausschuss für Erinnerungskultur seine Arbeit machen zu lassen, anstatt das Gedenken weiter zu politisieren.

Im Fall der Busmannkapelle ist es bereits zu spät: Ein Kuratorium wird sich unter Vorsitz von Oberbürgermeisterin Helma Orosz über die Ausgestaltung des Mahnmals Gedanken machen. "Denkbar wäre zum Beispiel, die Namen in ein Buch einzutragen und unter einer Glasscheibe einzuschreinen", sagt Peter Schumann von der Fördergesellschaft Sophienkirche. Kritikern wie Lang entgegnet er, dass Missbrauch nie verhindert werden könne. "Bei Störungen werden wir von unserem Hausrecht Gebrauch machen."

"Es handelt sich hier ja nicht um ein monumentales Denkmal, sondern einen kleinen Raum", sagt CDU-Stadtratsmitglied Georg Böhme-Korn. Es gehe "einfach darum, der Toten zu gedenken", deren Angehörige hätten ein Recht darauf. Doch in der Diskussion um die Erinnerungskultur Dresdens gab und gibt es anscheinend kein "einfach" - auch nicht für die Angehörigen, wie ein Text des Journalisten und Publizisten Robert Leicht zeigt. Er selbst verlor in der Bombennacht zwei seiner Großeltern und weitere Mitglieder seiner Familie. Am 13. Februar 2005 besuchte er Dresden und schilderte für die Zeit seine Eindrücke. Der letzte Satz des Artikels lautet: "Wer also der Toten gedenkt, muss also auch der Taten gedenken, die ihrem Tod vorausgingen."

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