Neues Konzept für Inlandsgeheimdienst:Friedrich gelingt nur kleine Reform

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Nach der Neonazi-Mordserie verlangte Innenminister Friedrich mehr Eingriffsrechte des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Nun muss er wohl von seinen weitreichenden Ideen abrücken: Die Länder werden ihre Geheimdienst-Kompetenzen voraussichtlich behalten.

Susanne Höll, Berlin

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wird sich mit seinen ursprünglich weitreichenden Forderungen nach einer umfassenden Reform des Verfassungsschutzverbundes nicht gegen die Länder durchsetzen können. So heißt es in Sicherheitskreisen.

Die 17 deutschen Innenminister würden bei ihrer Herbstkonferenz (IMK) Anfang Dezember aller Voraussicht nach ein Konzept für den Inlandsgeheimdienst verabschieden, bei dem die Länder ihre Zuständigkeiten behalten und das Bundesamt für Verfassungsschutz zunächst keine wesentlichen neuen Kompetenzen im Kampf etwa gegen gewalttätige Rechtsextremisten erhält, hieß es in den Kreisen weiter.

Hochrangige Sicherheitsvertreter aus dem Bund und den Ländern hatten am Dienstag bis zuletzt über umstrittene Punkte für einen IMK-Beschluss beraten. Der Bundesinnenminister hatte im August als Konsequenz aus der Neonazi-Mordserie eine Neuaufstellung des Verfassungsschutzes mit mehr Eingriffsrechten und Kontrollfunktionen des Bundesamts in Köln (BfV) verlangt.

Dazu gehört eine Zentraldatei für die sogenannten Vertrauensleute, kurz V-Leute, die die 17 Ämter in extremistischen Organisationen einsetzen. Friedrich hatte diese Datei verlangt, die Länder waren zunächst dagegen. Hier konnte sich der Bundesinnenminister durchsetzen, die Datei wird beim Bundesamt in Köln eingerichtet. Ob sie tatsächlich für mehr Transparenz im unübersichtlichen Spitzel-Geflecht der Dienste sorgt, ist umstritten. Die Datei soll nicht die Klar-, sondern nur die Decknamen der V-Leute enthalten. Ob man allein über diese Datei etwa herausfinden könne, ob und wer für mehrere Behörden arbeitet, sei fraglich, hieß es. Über technische Details solle erst im nächsten Jahr verhandelt werden. Vereinbart wurden bundesweite Standards für die Zusammenarbeit mit V-Leuten.

Länder sollen künftig relevante Informationen weitergeben

Die Länder werden allerdings verpflichtet, künftig alle relevanten Informationen an das BfV weiterzugeben. Auch soll das Bundesamt künftig stärker als bisher Operationen des Verfassungsschutzes koordinieren, etwa wenn gewalttätige Extremisten über die Landesgrenzen hinweg agieren. Dazu müsste allerdings das Verfassungsschutzgesetz geändert werden. Ob dies der schwarz-gelben Bundesregierung noch in dieser Legislatur gelingt, ist ungewiss.

Die Kölner Behörde wird bedeutsame Operationen gegen als besonders gefährlich geltende Radikale in einzelnen Bundesländern nur mit Zustimmung der jeweiligen Landesverfassungsschutzämter übernehmen können. Das Bundesamt könne den Ländern "anbieten", Informationen vor Ort zu sammeln, heißt es. Stimmt das Land nicht zu, darf der Kölner Dienst nicht aktiv werden. Nach Friedrichs ursprünglichen Plänen sollte das Bundesamt wichtige Operationen an sich ziehen können. Das Bundeskriminalamt hatte 2008 gegen erheblichen Widerstand der Länder dieses Recht erhalten.

Auch hat Friedrich Überlegungen aufgegeben, wonach das Bundesamt sich im Wesentlichen auf den Kampf gegen gewalttätige Extremisten konzentrieren und die Beobachtung von radikalen, aber friedfertigen Gruppen einschränken soll. Im Bundesinnenministerium war erwogen worden, die Beobachtung von Bundestagsabgeordneten der Linkspartei - derzeit sind es gut zwei Dutzend - drastisch zu reduzieren. Diese Pläne seien allerdings inzwischen so gut wie vom Tisch, hieß es in den Kreisen.

Friedrichs ursprüngliche Forderungen hatten ihm Ärger mit den Ländern eingebracht. Inzwischen gibt es neuen Zwist - diesmal um Friedrichs Projekt eines "Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrums" (GETZ), das der Minister an diesem Donnerstag in Köln eröffnen will. Dort sollen Experten von Polizei und Geheimdiensten gegen alle Formen von Extremisten und auch Spionage zusammenarbeiten. Die Länder sind eingeladen, sich zu beteiligen. Bislang sind dazu zehn Länder bereit. Nordrhein-Westfalen hat heftig protestiert und Friedrich vorgeworfen, die Länder mit dem Projekt überrollt zu haben.

© SZ vom 15.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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