Neues BGH-Unterhaltsurteil:Verurteilt zum 16-Stunden-Tag

Das BGH-Urteil, das Alleinerziehende zum Vollzeitjob verpflichtet, ist die Konsequenz einer Rechtsprechung, die mit wachsender Vehemenz den Spielraum der Unterhaltsrechtsreform von 2008 ausreizt - zu Lasten derer, die nach einer Trennung die Verantwortung für die Kinder übernommen haben.

Wolfgang Janisch

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat alleinerziehende Mütter (meist sind Alleinerziehende die Mütter) wieder einmal zum Sechzehn-Stunden-Tag verurteilt. Dies ist die Konsequenz einer Rechtsprechung, die mit wachsender Vehemenz den Spielraum der Unterhaltsrechtsreform aus dem Jahre 2008 ausreizt - zu Lasten derer, die nach einer Trennung die Verantwortung für die Kinder übernommen haben.

Im konkreten Fall arbeitete die geschiedene Mutter einer Zweitklässlerin ohnehin schon halbtags, mehr wollte sie nicht, weil sich die Tochter nach zwei Jahren in einer Pflegefamilie wieder an die Mutter gewöhnen sollte. Dem BGH reichte das nicht, nun muss sie womöglich einen Vollzeitjob annehmen.

Dabei ist vieles an der Rechtsprechung und noch mehr an der Reform richtig. Den alleinerziehenden Frauen (oder Männern) wird es in aller Regel guttun, wenn sie wegen des bald versiegenden Unterhalts rascher zur Rückkehr in den Beruf gedrängt werden. Und die 14-jährigen Jugendlichen, deretwegen man einst den Ganztagesjob ablehnen durfte, werden davon ebenfalls nicht Schaden nehmen.

Allerdings brauchen kleine Kinder ihre Eltern häufiger als große - doch der BGH ignoriert diese schlichte Wahrheit. Sobald die dritte Kerze auf dem Geburtstagskuchen ausgepustet ist, gilt für Alleinerziehende als Regel die Pflicht zum Geldverdienen. Wer wenigstens teilweise zu Hause bleiben möchte, muss entweder in einer Kita-freien Einöde wohnen oder ein alarmierendes Gutachten des Kinderpsychologen vorlegen, andernfalls wird ihm ein Vollzeitjob zugemutet.

Gewiss, Ausnahmen sind möglich. Doch die Beweislast für deren Notwendigkeit tragen jene, die auch sonst die größte Bürde schultern: die Alleinerziehenden.

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