Neues Anti-Terror-Gesetz in den USA:Obamas Sündenfall

Es ist der moralische Tiefpunkt eines Präsidenten, der angetreten war, um Amerikas ruinierten Ruf zu erneuern: Barack Obama hat seine Unterschrift unter ein Gesetz geleistet, das es erlaubt, ohne Kläger oder Richter jeden Terrorverdächtigen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag einzusperren. Und die neuen Anti-Terror-Paragraphen gehen sogar noch weiter.

Christian Wernicke, Washington

Barack Obama ist einen langen Weg gegangen. Und einen elenden dazu: Jener Präsident, der nach Jahren des Anti-Terror-Kriegs aufgebrochen war, Amerikas ruinierten Leumund in der Welt zu erneuern und seine Bürgerfreiheiten im Innern zu stärken, ist nun an einem moralischen Tiefpunkt angelangt.

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Das US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba. Mit dem neuen Anti-Terror-Gesetz könnte es zur dauerhaften Einrichtung werden.

(Foto: AFP)

Der Demokrat hat seine Unterschrift unter ein Gesetz geleistet, das es erlaubt, ohne Kläger oder Richter jedweden Terrorverdächtigen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag in den Kerker zu werfen. Zwar versichert Obama, er werde diese Ermächtigung niemals gegen seine Landsleute anwenden. Aber erstens ändert das nichts am prinzipiellen Sündenfall. Zweitens schützt diese Beschwichtigung niemanden, der als Besucher ohne US-Pass das angebliche "Land der Freien" betritt.

Und das neue Anti-Terror-Gesetz, das der Kongress zu Beginn des Wahljahres dem Präsidenten aufgenötigt hat, geht noch weiter. Die neuen Paragraphen drohen Amerikas Schandlager in Guantanamo zu verewigen. Schlimmer noch, die Regelungen könnten sogar erzwingen, dass demnächst wieder neue "feindliche Kämpfer" in den Militärstützpunkt auf Kuba gebracht werden. Und weil der Präsident sich nicht traute, sein Veto einzulegen, wird auch Amerikas Drohnenkrieg gegen mutmaßliche Al-Qaida-Kämpfer oder deren nur äußerst vage definierte "verbündete Kräfte" mehr denn je legalisiert. Aus anmaßender US-Perspektive jedenfalls.

Obamas Trauerspiel begann bereits wenige Monate nach Amtsantritt. Schon 2009 gab der Präsident den Kampf um Amerikas Selbstbefreiung von seiner Anti-Terror-Hysterie auf. Gewonnen hat ein anderer Geist: Dick Cheney und Donald Rumsfeld dürfen jubilieren.

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