Neuer Sondergesandter für Nahost:Bundesregierung irritiert über Berufung Blairs

Außenminister Steinmeier missbilligt das Vorpreschen der USA und befürchtet Alleingänge des britischen Ex-Premiers - deshalb soll er ein "eng begrenztes Mandat" erhalten.

Nico Fried und Thorsten Schmitz

Blair wurde am Mittwoch offiziell zum Gesandten ernannt, wie die UN am Abend in New York bekanntgab. Steinmeier hatte zuvor in Berlin gesagt, es "kann naturgemäß dem Mitglied des Quartetts so nicht gefallen", dass Blairs Berufung außerhalb des Nahost-Quartetts diskutiert und vorgeschlagen worden sei. Bis Ende des Monats hat Deutschland die Ratspräsidentschaft der EU inne.

Steinmeier

Etwas verschnupft: Außenminister Frank-Walter Steinmeier

(Foto: Foto: Getty)

So lange vertritt Berlin die Union im Nahost-Quartett, zu dem außerdem USA, Russland und die Vereinten Nationen gehören. Der Vorschlag, Blair zum Gesandten zu machen, war von den USA in vertraulicher Absprache mit dem britischen Ex-Premier entwickelt und den anderen Quartetts-Mitgliedern erst später mitgeteilt worden.

Kein Zweifel an Blairs Qualität

Steinmeier äußerte zwar keine Zweifel an der Eignung Blairs für den Posten. Trotz wiederholter Nachfrage war ihm aber auch keine ausdrückliche Würdigung zu entlocken.

Der Minister machte zugleich deutlich, dass Blair als Gesandter dem Quartett zuzuarbeiten habe und nicht umgekehrt. Blair werde ein eng begrenztes Mandat haben und soll beim Aufbau der palästinensischen Regierung helfen.

Diese Beschränkung habe damit zu tun, "dass das Quartett selber die politische Aufgabe der Gestaltung des nahöstlichen Friedensprozesses in der Hand behalten will", sagte der Außenminister.

Kein Widerspruch von Merkel

Die Haltung Steinmeiers wird offenbar auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel geteilt. Dem Vernehmen nach trug der Außenminister sein Unbehagen im Kabinett vor, Merkel widersprach nicht.

Die Entscheidung hatte sich wegen russischer Bedenken verzögert. Moskau hatte sich ebenfalls an der fehlenden Abstimmung gestört. Steinmeier sagte, die Entscheidung sei "ein wenig an der Willensbildung im Quartett vorbeigegangen".

In Berlin gibt es offenbar Bedenken, dass Blair die Nahost-Diplomatie an sich ziehen und damit dem Quartett eher schaden könnte. Erst nach monatelangem Drängen insbesondere Steinmeiers war das Quartett reaktiviert worden. Vor allem die USA hatten sich dagegen gesträubt.

Auch andere europäische Regierungen haben ihren Unwillen über die Berufung Blairs kundgetan. Sie verwiesen auf seinen Blockade-Kurs in der Debatte über die EU-Verfassung. Zum anderen wurde die Sorge laut, dass Blair die Position des EU-Außenbeauftragten Javier Solana schwächen könnte.

Kämpfe im Gazastreifen

Bei den heftigsten Kämpfen seit der Machtübernahme der Hamas wurden am Mittwoch im Gaza-Streifen mindestens zehn Palästinenser getötet. Begleitet von Panzern waren israelische Soldaten am Morgen in das Gebiet vorgedrungen und hatten sich heftige Gefechte mit der Hamas und dem Islamischen Dschihad geliefert.

Palästinensischen Angaben zufolge beschoss die israelische Luftwaffe ein Wohnhaus, vier Bewohner starben, unter ihnen ein zwölfjähriger Junge. Am Mittag beschossen Palästinenser die israelische Stadt Sderot mit Raketen. Palästinenserpräsident Machmud Abbas verurteilte den Armee-Einsatz als "kriminelle Taten gegen unser Volk". In der Nacht zum Mittwoch hatte Abbas erstmals alle paramilitärischen Palästinensergruppen verboten, darunter seine eigenen Al-Aksa-Brigaden.

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