Neuer polnischer Präsident Andrzej Duda:Stimme der Verlierer

Polish Presidential Election Count

Ein Wahlsieger, mit dem niemand gerechnet hatte: Andrzej Duda

(Foto: Bloomberg)

Andrzej Duda verdankt seinen Wahlsieg in Polen denen, die nicht vom Boom der letzten Jahre profitiert haben. Doch wenn er seine Wahlversprechen einlöst, wird es das Land teuer zu stehen kommen.

Von Florian Hassel

Von außen betrachtet erscheint es fast wie ein Betriebsunfall, dass die Polen sich bei der Wahl ihres neuen Präsidenten gegen Amtsinhaber Bronisław Komorowski und für Andrzej Duda entschieden haben, den Kandidaten der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Fast ein Jahrzehnt ist es her, dass die Brüder Lech und Jarosław Kaczyński mit dieser nationalkonservativen, populistischen Partei Polen regierten - Lech als Präsident und Jarosław als Regierungschef - und mit einem konfrontativen, mitunter demokratische Normen vernachlässigenden Kurs nicht nur große Teile Europas vor den Kopf stießen, sondern auch viele Polen. Diese wählten 2007 eine andere Regierung ins Amt, dominiert von der gemäßigt-konservativen Bürgerplattform.

Im Jahr 2010, nach dem Tod von Präsident Lech Kaczyński beim Flugzeugabsturz von Smolensk, reichte die Trauer ebenfalls nicht, damit Jarosław neuer Präsident wurde. Er verlor die Wahl gegen Komorowski - die Polen schienen genug von den Kaczyńskis zu haben und davon, dass sie ihretwegen von vielen Partnern in Europa zusehends isoliert waren.

Die modernen, boomenden Städte sind nur die eine Seite

Doch diese Sichtweise von außen würde einen großen Teil der polnischen Realität ausblenden. Schon die Präsidentschaftswahl 2010 endete mit einem knappen Ergebnis. Polen war - und ist - ein gespaltenes Land, sowohl was gesellschaftliche Themen und Werte angeht wie auch materiell. Wer nur moderne, boomende Städte wie Warschau, Krakau oder Danzig betrachtet, sieht ein Polen der Gewinner, die von dem seit 2007 andauernden Wirtschaftswachstum profitiert haben, selten aber die Verlierer.

Zu diesen gehören die Rentner, die oft mit wenigen Hundert Euro Rente auskommen müssen; oder die Einwohner der Dörfer und Kleinstädte, die nichts vom Boom abbekamen und in denen die Arbeitslosenrate 20 Prozent erreichen kann. Selbst für Polen mit Hochschulabschluss ist es schwer, einen ihrer Qualifikation entsprechenden Job zu finden. Viele sind unzufrieden und gehen ins Ausland. Die Folge: Nicht nur die meisten Polen über 50 Jahren stimmten gegen Komorowski und für Duda, sondern auch die meisten jungen Polen.

Etliche Polen ärgerten sich offenbar auch stärker, als dies die Regierung und viele Medien wahrnahmen, über die Korruptionsskandale der vergangenen Jahre. Und sie nahmen sowohl die Regierung wie Präsident Komorowski als abgehoben wahr. Andrzej Duda dagegen besuchte in seinem energischen, nach US-Vorbild geplanten Wahlkampf jene Wähler, die bisher vernachlässigt worden waren oder sich so fühlten. Er versprach ihnen Wohltaten und kam zudem - gut aussehend und etwa 20 Jahre jünger als Komorowski und Kaczyński - bei vielen Polen als glaubhafte Verkörperung eines Generationswechsels an.

Der künftige Präsident macht Polens Politik unberechenbar

Doch mit Dudas Sieg kehrt politische Ungewissheit nach Polen zurück. Die Macht des künftigen Präsidenten Duda ist größer als die etlicher seiner europäischen Kollegen. Ein polnischer Präsident kann zum Beispiel eigene Gesetzentwürfe im Parlament einbringen. Duda übernimmt sein Amt erst im August, zwei Monate später folgt bereits die Parlamentswahl, bei der die Polen entscheiden, ob sie die PiS auch zurück an die Regierung lassen wollen - und deren Chef, den zurzeit nur im Hintergrund agierenden Jarosław Kaczyński.

Bis zu dieser Wahl dürfte politischer Stillstand herrschen: Duda kann angesichts der noch von der Bürgerplattform gestellten Regierung weder das von ihm angekündigte härtere außenpolitische Vorgehen gegenüber Deutschland oder der EU umsetzen noch populistische Wahlversprechen wie die Herabsetzung des Rentenalters oder ein Vorgehen gegen westliche Banken. Doch auch die Regierung unter Ewa Kopacz wird nun notwendige Reform unterlassen, um Wähler nicht zu verprellen.

Rafft sich die in den Umfragen gegenüber der PiS zurückfallende und entkräftet wirkende Bürgerplattform doch noch einmal auf und siegt bei der Parlamentswahl, sind Reformen gleichwohl unwahrscheinlich: Duda kann als Präsident jedes Gesetz per Veto blockieren. Gewinnt indes die PiS, muss sie zumindest einen Teil ihrer Wahlversprechen umsetzen - mit voraussichtlich verheerenden Folgen für Polens Finanzen.

Auch außenpolitisch würde eine PiS-Regierung wohl zumindest versuchen, sich von Berlin und Brüssel zu distanzieren. Ob ihr dies gelänge, ist eine andere Frage. Unklar wäre auch, ob Jarosław Kaczyński tatsächlich so sehr dominiert wie in früheren Zeiten, oder ob sich Duda und andere Teile der Partei nun von ihm distanzieren und die PiS modernisieren und mäßigen. So oder so wird der Umgang mit Polen für Warschaus Partner wohl deutlich schwieriger als bisher.

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