Neuer Kliniktarif:Überfälliger Kompromiss

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Der dreimonatige Ärztestreik in den Krankenhäusern ist endlich beendet. Doch noch ist fraglich, ob das etwas höhere Gehalt junge Mediziner zum Bleiben bewegt.

Heidrun Graupner

Der erbitterte Streik der Ärzte ist zu Ende, der längste in der Geschichte Deutschlands. Der Marburger Bund hat letztlich eingelenkt, er hat auf einen Zuschlag von hundert Euro für die jungen Ärzte verzichtet, und darauf, dass der Geltungsbereich des Tarifvertrags auf Laborärzte oder Psychotherapeuten ausgeweitet wird.

Viel Arbeit, viel Verantwortung, wenig Geld: Ein Arzt der Universitätsklinik Leipzig protestiert. (Foto: Foto: dpa)

Er hat, bis auf ein paar Korrekturen, den Tarifvertrag im öffentlichen Dienst übernommen. Dies alles klingt wie eine herbe Niederlage.

Doch der Kompromiss, den der Marburger Bund eingegangen ist, war überfällig, sollten die Patienten nicht noch mehr belastet und die Universitätskliniken in den Ruin getrieben werden.

Und dieser Kompromiss ändert nichts daran, dass der Marburger Bund einen großen Erfolg errungen hat: Er ist seit diesem Freitag eine anerkannte Ärzte-Gewerkschaft mit einem eigenen Tarifvertrag.

Es fragt sich jedoch, ob der Streik in dieser Härte und Dauer wirklich notwendig war. Frank Ulrich Montgomery, der Vorsitzende des Marburger Bundes, hatte den Arbeitskampf mit weit überhöhten Forderungen begonnen, von denen er zwar später abgewichen ist, die ihm aber bis zum Schluss nachhingen.

Hartmut Möllring, unnachgiebiger Verhandlungsführer der Länder, wollte den Ärzten den Verdi-Vertrag überstülpen, er verweigerte lange Zeit jedes Gespräch, seine Devise war "Friss oder stirb" - was sogar manchen Ländern zu weit ging.

Möllrings Kompromisslosigkeit hat zwar den Tarifvertrag für die Länder billiger gemacht, die Millionenverluste in den Universitätskliniken gleichen dieses Plus allerdings wieder aus, und zwar mehrfach.

Der neue Tarifvertrag wird die Situation der Klinikärzte etwas verbessern. Er verändert unerträgliche Arbeitsbedingungen, er verhindert die inakzeptabel kurze Laufzeit von Arbeitsverträgen, er schafft etwas mehr Zeit für Forschung und Lehre.

Er bietet jungen Ärzten ein größeres Einkommen, als sie momentan erhalten, aber weniger als vor drei Jahren. Ob das genügt, ihnen in Deutschland eine Perspektive zu bieten, ob es sie daran hindert, nach der teuren Ausbildung in die Industrie und ins Ausland abzuwandern, muss sich erst erweisen.

Dieser Streik war ein Lehrstück für die Politiker, die glauben, Ärzte als Statisten an den Rand stellen zu können, weil es deren ethische Verpflichtung ist, Menschen zu behandeln.

Wenn ein Teil der akademischen Elite drei Monate die Arbeit niedergelegt - auf eigene Kosten, da es keine Streikkasse gab -, wenn die Ordinarien, die nicht streiken dürfen, sie verbal unterstützen, dann erzählt dies viel von einem grundlegenden Wandel in der Ärzteschaft.

Darauf hat die Politik in den vergangenen drei Monaten nicht gehört.

Künftig sollte sich das ändern, denn die Mediziner haben mit einem eigenen Tarifvertrag nicht nur mehr Einfluss, sondern auch mehr Selbstvertrauen.

Und den Politikern zum Trost - es geht den Ärzten nicht nur um mehr Geld, sondern auch um die Patienten und den Wissenschaftsstandort Deutschland.

© SZ vom 17.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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