Neuer FDP-Chef Rösler: Erste Rede:Die neue Liebe der FDP

Philipp Rösler fühlt sich gut als neuer FDP-Chef: Mit Humor und Zurückhaltung läutet er in seiner Grundsatzrede eine neue Ära ein. Dabei zeigt Rösler tapfer, dass er nicht nur nett sein kann - und erklärt, wie Albert Schweitzer ihn zur FDP gebracht hat.

Thorsten Denkler, Rostock

Es wird nicht mehr gebrüllt in der FDP. Das lässt sich schon an der Gestaltung des Parteitagsplenums ablesen. Vor einem Jahr noch schrien einen auf dem Kölner Parteitag von überall Plakate an. "Leistung muss sich lohnen", knallte einem in leuchtendem Gelb entgegen. Oder: "Mehr Netto vom Brutto." So aggressiv wie bekannt.

FDP-Bundesparteitag

Alle Augen richteten sich am zweiten Tag des Rostocker FDP-Parteitags auf den neuen Vorsitzenden Philipp Rösler. Dieser erfüllte in seiner Rede die hohen Erwartungen.

(Foto: dpa)

Vorbei, vorbei. Jetzt stehen da Plakate, mit den Konterfeis von Menschen, die phänotypisch auch als Grünen-Wähler durchgehen könnten. Sie vervollständigen handschriftlich den Satz "Freiheit ist für mich...". Auf einem Plakat steht dahinter: "...ein Lebensgefühl".

Es geht viel um Gefühle auf diesem Rostocker Parteitag, von dem manche schon sagen, es sei ein Wende-Parteitag für die FDP. Nicht mehr schrill und laut will die Partei sein. Nicht mehr aggressiv und selbstvergessen. So hatte Guido Westerwelle die Partei in den vergangenen zehn Jahren positioniert. So war er selbst immer. Und überzog dabei immer einen Jota.

Philipp Rösler muss zeigen, dass er anders ist. Ganz anders. Ein Gegenmodell zum aufgeblasenen Westerwelle.

Und er ist es.

Eine gute Stunde spricht Rösler an diesem Samstag vor den etwa 660 Delegierten. Es ist seine erste Rede als Parteivorsitzender der Freien Demokratischen Partei Deutschlands. Es ist die Rede, in der er den Delegierten zeigen muss, dass sie sich nicht vertan haben, als sie ihm am Tag zuvor mit 95 Prozent gewählt haben. Er hat sie nicht enttäuscht.

Ganz anders als Vorgänger Westerwelle

Er spricht leise, flüstert fast, nur selten erhebt er die Stimme. Und selbst dann spricht er nicht lauter als wenn er sich angeregt mit einem Freund im Biergarten unterhält.

Rösler will inhaltlich keine komplett erneuerte FDP, doch er will sie thematisch breiter aufstellen. Zugleich bleibt er gelassen. Macht es mit Humor."

Rösler bringt das Bild mit dem Frosch. In heißes Wasser geworfen, springt der sofort aus dem Topf. In kaltes Wasser geworfen, das langsam erhitzt wird, bleibt der Frosch drin, bis er gar ist. So erklärt Rösler, wie das ist, wenn Freiheit nach und nach eingeschränkt wird. Sei es mit Sicherheitsgesetzen oder im Internet.

Manchen mag das Bild martialisch vorkommen. Rösler hat es bewusst gewählt. Er guckt gespielt böse, als er danach sagt: "So viel zum netten Herrn Rösler." Da lachen sie im Saal.

Programmdebatte in vollem Gang

Inhaltlich lässt Rösler vieles offen. In der Euro-Frage will er ohne Tabus diskutieren. Das macht denen Hoffnung, die einen strikten nationalen Kurs fahren wollen, heißt aber erst mal nichts. Steuersenkungen bleiben auch für Rösler auf der Tagesordnung. Er will liefern, verspricht Rösler. Festlegen, wann es so weit ist, will er sich nicht. Bei keinem Thema, das er anspricht.

FDP-Bundesparteitag

Applaus bekam Philipp Rösler (2.v.l.) nach seiner Grundsatzrede auch von seinem Vorgänger Guido Westerwelle.

(Foto: dpa)

Das mag an seiner Rede ein Kritikpunkt sein. Rösler will zwar führen, aber er will nicht den Vortänzer machen. Die Programmdebatte der FDP ist in vollem Gange. Es wäre geradezu töricht, einer Partei, die die offene Debatte nach zehn Westerwelle-Jahren erst wieder lernen muss, jetzt schon Vorgaben zu machen.

Der neue Vorsitzende schafft es, Kritik zu formulieren, die einerseits unmissverständlich ist, aber zugleich niemandem vor den Kopf stößt. "Leider haben wir aus Rücksicht auf unseren Koalitionspartner Notwendiges zurückgestellt", sagt er und bezieht sich selbst dabei ein. "Das hat die Menschen enttäuscht, die gerade von einer bürgerlichen Regierung auch bürgerliches Handeln erwartet hätten." Er bekommt viel Applaus für diesen Satz.

Rösler wird die FDP nicht neu erfinden müssen. Sie bleibt eine Partei, die dem Privaten im Zweifel den Vorrang vor dem Staat gibt, die Steuern senken und den Sozialstaat zurückfahren will. Aber auch eine Partei, die Bürgerrechte schützen will. Jetzt hat sie auch einen Vorsitzenden, der das glaubwürdig vertreten kann.

Passendes Zitat in der Tasche

Ob es reicht, um in Umfragen wieder besser zu werden, hängt jetzt auch davon ab, ob mehr Menschen als jene drei bis vier Prozent, die zu den Stammwählern dieser Partei gehören, sich mit einem dauernden Gefühl der Unfreiheit herumschlagen. Wer sich schon frei fühlt, der braucht die FDP nicht.

Bei Rösler scheint die Sehnsucht nach Freiheit stark ausgeprägt zu sein. Er will zeigen, was ihn zur FDP gebracht hat, holt einen Zettel aus seinem Jackett. Es sind die einzigen Sätze, die er abliest. Sie stammen von Albert Schweitzer: "Ich wünsche mir Chancen, nicht Sicherheit. Ich lehne ab, mir den eigenen Antrieb mit einem Trinkgeld abkaufen zu lassen.
Ich will kein ausgehaltener Bürger sein, gedemütigt und abgestumpft, weil der Staat für mich sorgt.
Ich habe gelernt, selbst für mich zu denken und zu handeln,
der Welt gerade ins Gesicht zu sehen und zu bekennen, dies ist mein Werk."

"Liebe Freundinnen und Freunde", sagt Rösler, "das ist mein liberales Lebensmotto." Es ist eines, hinter dem sich die Partei ersammeln kann. Einigkeit, das fehlt jetzt noch. Wenn Westerwelle, wenn Rainer Brüderle als neuer Fraktionschef jetzt wider Erwarten keine kein Fehler mehr machen, dann könnten die Personaldebatten und Querelen tatsächlich beendet sein. Vielleicht hat die FDP doch noch eine Zukunft. Jedenfalls gibt Rösler den liberalen Anlass zu Hoffnung.

Er ist vielleicht die letzte Hoffnung, die sie haben.

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