Neuer DHB-Präsident:Macher oder Marionette?

Der Machtkampf ist vorerst entschieden: Andreas Michelmann ist neuer DHB-Präsident. 46 Gegenstimmen zeigen, dass das Misstrauen groß ist.

Von Carsten Eberts, Hannover

Die letzten Sekunden blickte Andreas Michelmann starr vor sich auf den Tisch. Würde hier noch etwas schiefgehen? Dann verkündete Wahlleiter Hans-Jörg Körte das Ergebnis der Präsidentenwahl des Deutschen Handball-Bunds (DHB), die an diesem Samstag in Hannover stattfand: 73:46 Stimmen. Michelmann, bisher Vizepräsident Breitensport, war gewählt. Dafür, dass er der einzige Kandidat war, erhielt er aber eine beträchtliche Anzahl Gegenstimmen. Michelmann blickte nun auf, tauschte einen kurzen Blick aus mit Bob Hanning, dem Vizepräsidenten, der neben ihm saß. Durchatmen. War ja doch noch alles gut gegangen.

Ihm sei klar gewesen, dass es eine knappe Abstimmung werden würde, erklärte Michelmann später: "Dafür war die Auseinandersetzung zu heftig." In der Tat: Ein ähnlich imponierendes Ergebnis wie sein Amtsvorgänger Bernhard Bauer, der 2013 noch ohne Gegenstimme gewählt worden war, hatte Michelmann nicht erwarten können. So hielt sich auch der Applaus für den neuen Präsidenten in Grenzen. Ein gelungener Start ins neue Amt sieht normalerweise anders aus.

Die Opposition wollte alle Vizepräsidenten loswerden - vor allem aber Bob Hanning

Doch für Jubel und Standing Ovations hat der DHB zu bewegte Monate hinter sich, eingeläutet durch Bauers Rücktritt im März, der eine Kette an Personaldiskussionen nach sich zog - zum Leidwesen der Sportart weitgehend öffentlich ausgetragen. So wurde ein Abwahlantrag mehrerer Landesverbände publik, die Hanning und alle weiteren Vizepräsidenten auf einen Schlag loswerden wollten. Mit diesem Schritt sollte der Einfluss des fachlich unumstrittenen, menschlich jedoch bisweilen als schwierig geltenden Berliners Bob Hanning begrenzt werden. Michelmann als neuer Präsident sollte sogleich mit verhindert werden - er gilt vielen als zu Hanning-nah.

Auf Bestreben des Landesverbands Württemberg erwog Bauer, der ja zurückgetreten war, plötzlich eine erneute Kandidatur. Eine offene Aussprache folgte auf der Sitzung des Bundesrats in Kassel. In deren Anschluss wurde der Abwahlantrag zwar zurückgezogen. An den Frieden glaubten jedoch nicht alle, so erklärte beispielsweise Michelmann, er rechne für die Wahl "mit allem". Nicht zuletzt, weil Bauer - der in Hannover dann nicht persönlich anwesend war - in einem letzten, verzweifelten Versuch gemahnt hatte, alle Landesverbände sollten sich doch bitte gut überlegen, wie sie abstimmen. Man möge nicht blind den einzigen Kandidaten ins Amt hieven.

Der Landeschef beklagt die "Umgangsformen" - und bekommt viel Applaus

Bis zuletzt galt als offen, ob das Bauer-Lager nicht doch noch einen Gegenkandidaten aufstellen würde. Doch Stille legte sich über den Saal, als Wahlleiter Korte die entsprechende Frage formulierte. Michelmann würde neuer DHB-Präsident werden, das war in diesem Moment so gut wie klar. Stellte sich nur die Frage: mit wie vielen Gegenstimmen? Dass es so viele wurden, insgesamt 46, hatte auch mit Hans Artschwager zu tun, dem Landeschef Württembergs. Er erhob noch einmal das Wort und beklagte eine "Missachtung der Landesverbände" in der Präsidiumsarbeit und bei der Kandidatenfindung. Auch die "Umgangsformen" bedürften "einer Anpassung", was insbesondere an Hannings Adresse gerichtet gewesen sein dürfte. Der Applaus war an dieser Stelle laut und deutlich, Artschwager sprach den Vertretern einiger Landesverbände offensichtlich aus der Seele.

Ein erstes Zeichen des Friedens: Michelmann lobt seinen Vorgänger

Michelmann ahnte da schon, was ihn erwartet. Anschließend zeigte er sich bemüht, die Wogen zu glätten oder zumindest damit zu beginnen. Michelmann ging auf das Bauer-Lager zu, er lobte ausdrücklich die Arbeit seines Amtsvorgängers. 2013 hatte er seine eigene Kandidatur zugunsten Bauers zurückgezogen, jetzt sagte er: "Ich bin froh, dass diese Zeit vorbei ist, in der wir nur übereinander statt miteinander geredet haben." Trotz 46 Gegenstimmen kündigte er Gespräche mit seinen Widersachern an: "Schaffen können wir das nur gemeinsam", so Michelmann.

Ist der Machtkampf im Handball damit beendet? Vorerst, ja. Hanning darf sich als Sieger der monatelang währenden Auseinandersetzung fühlen. Er ist weiter der starke Mann im Präsidium, das möchte er bleiben, bis er sich 2020 aus der Gremienarbeit zurückziehen will. Michelmann muss zeigen, ob es ihm gelingt, die offensichtlich uneinigen Landesverbände zum Konsens zu bewegen - und eigene Akzente zu setzen. Oder ob diejenigen Recht behalten, die ihm in Hannover ihre Stimme verweigert haben: Weil sie ihn bloß für eine Marionette von Bob Hanning halten.

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