Neuer Bundestag:Das sind Deutschlands Volksvertreter

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709 Abgeordnete sitzen im neuen Parlament - so viele wie noch nie zuvor.

(Foto: SZ)

Deutlich weniger Frauen, überdurchschnittlich viele rechte Nachwuchspolitiker, kaum Handwerker: Wer sind die 709 Abgeordneten, die ab Dienstag im Bundestag sitzen? Ein Überblick.

Von Jana Anzlinger, Rebecca Ciesielski und Moritz Zajonz

Am Dienstag tritt der 19. Bundestag zum ersten Mal zusammen. 709 Abgeordnete sitzen im neuen Parlament - so viele wie noch nie. Sie vertreten sechs Fraktionen und damit ein breites Meinungsspektrum. Sie sollten auch alle Gesellschaftsschichten, Altersgruppen und Branchen repräsentieren. Aber klappt das in der Praxis? Wie viele Frauen sitzen nun im Parlament? Ist die AfD tatsächlich die Professoren-Partei, als die sie sich noch immer ausgibt? Und sind die Grünen wirklich so jung wie ihre Wähler? Zur konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags zeigen acht Grafiken, wer die neuen Volksvertreter sind.

Die meisten Jungen stehen rechts

Erst- bis Drittwähler stimmten überdurchschnittlich häufig für die Grünen - dabei repräsentiert die Partei ihre Altersgruppe gar nicht. Von den zwölf Abgeordneten unter 30 gehören sechs der AfD an, drei der CDU, zwei den Liberalen und einer den Linken. Der Allerjüngste im neuen Parlament ist der 24-jährige Roman Müller-Böhm von der FDP.

Große altersmäßige Übereinstimmung zwischen Wählern und Volksvertretern gibt es bei der Union: Die meisten Wähler über 60 Jahren haben CDU oder CSU gewählt - und die meisten Abgeordneten ihres Alters gehören den Unionsparteien an.

Der Älteste im Parlament ist Wilhelm von Gottberg von der AfD; er ist 77 Jahre alt. Alterspräsident wird von Gottberg trotzdem nicht. Die bisherigen Abgeordneten hatten im Sommer die Spielregeln geändert: Von dieser Legislaturperiode erhält dieses Amt nicht mehr der oder die an Jahren Älteste, sondern das dienstälteste Bundestagsmitglied. Die offizielle Begründung ist, dass es sinnvoller sei, Ämter nach Diensterfahrung zu besetzen. Tatsächlich gilt die Neuregelung, für die nur SPD und Union gestimmt haben, als Versuch, rechtsradikalen Positionen keine Bühne zu bieten. Die Hauptaufgabe des Alterspräsidenten ist es, die konstituierende Sitzung mit einer Rede zu eröffnen. Anstelle des AfD-Abgeordneten erhält CDU-Politiker Wolfgang Schäuble, der zuletzt Finanzminister war, das Amt. Er ist 75 Jahre alt, seit 45 Jahren ist er Abgeordneter im Bundestag.

Das Durchschnittsalter der Bundestagsabgeordneten hat sich durch die Wahl nicht maßgeblich geändert. Es bleibt bei knapp 50 Jahren - und liegt damit deutlich über dem Bevölkerungsdurchschnitt. Das Durchschnittsalter von Männern liegt bei 42,8, das von Frauen bei 45,6 Jahren. Während allerdings das Volk im Schnitt immer älter wird, ist das Durchschnittsalter seiner Vertreter nur leichten Schwankungen unterworfen, es liegt seit Jahrzehnten zwischen 48 und 50.

Die AfD kann nicht mit der höchsten Professoren-Dichte werben

Die AfD galt bei ihrer Gründung als Partei der Mathematik- und VWL-Professoren. Sie wirbt damit, im neuen Bundestag die "Fraktion mit höchster Promotions- und Professorendichte" zu sein. Diese Berechnung bezieht allerdings Ehrendoktorwürden mit ein, außerdem haben inzwischen zwei Abgeordnete die Partei verlassen. Nach dem Austritt von Frauke Petry und Mario Mieruch und wenn nur die Politiker berücksichtigt werden, die tatsächlich eine Doktorarbeit geschrieben haben (also keine Doktoren ehrenhalber sind), verpasst die AfD den ersten Platz: Mit 20 Prozent liegt sie gleichauf mit der FDP. Beide landen hinter der CSU, in der 24 Prozent der Fraktionsmitglieder promoviert oder habilitiert sind. Am geringsten ist der Anteil bei der Linken, wo er nur 14 Prozent beträgt.

Einen Hinweis auf das wissenschaftspolitische Programm der Parteien gibt eine Aktion von fünf großen mathematisch-naturwissenschaftlichen Verbänden, die den Parteien einen Fragenkatalog geschickt und die kurzen Antworten unkommentiert online gestellt haben. Grundsätzlich geben alle an, dass sie Bildung und Forschung fördern werden - und dass ihre Entscheidungen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen fußen sollen. Außer, wenn es um den Klimawandel geht; da hat die AfD spezielle Ansichten.

Frauenanteil: Deutschland stürzt im internationalen Vergleich ab

Der Frauenanteil im Bundestag ist so gering wie seit fast 20 Jahren nicht mehr. Knapp 31 Prozent der Abgeordneten sind weiblich - so wenig wie zuletzt 1998. Der Frauenanteil des vergangenen Bundestags lag bei 37 Prozent. Im internationalen Vergleich stürzt die Bundesrepublik von Platz 22 auf Platz 45 ab, im Vergleich mit anderen EU-Ländern von Platz sieben auf Platz zwölf.

Der Einzug der AfD und die Rückkehr der FDP ins Parlament erklären die niedrige Quote. Diesen beiden Fraktionen gehören 145 Männer an, aber nur 29 Frauen. Doch auch, wenn die Abgeordneten der anderen Parteien einbezogen werden, fällt auf, dass etwa drei Viertel der Neuen, die in der letzten Legislatur noch nicht im Bundestag saßen, Männer sind. Das heißt: Die Gesamtzahl der Abgeordneten ist von 631 auf 709 gestiegen, aber die neuen Plätze besetzen vor allem Männer.

Nur Grüne und Linke schicken mehr Frauen als Männer ins Parlament. Das entspricht ihren Wahlprogrammen: Die Grünen fordern eine verbindliche Frauenquote von 50 Prozent für die Führungsgremien von börsennotierten Unternehmen. Die Linke will ebenfalls eine Frauenquote von 50 Prozent für Aufsichtsräte und Vorstände.

In den Landtagen hat übrigens Hamburg mit 45 Prozent den höchsten Frauenanteil und Baden-Württemberg mit 24 Prozent den niedrigsten.

Die CDU schickt besonders viele Adelstitel ins Rennen

Dafür, dass es ihn offiziell nicht mehr gibt, ist er in den Medien ganz schön präsent: der deutsche Adel. Die Vorrechte von Adligen hat die Weimarer Verfassung vor fast 100 Jahren aufgehoben. Trotzdem bilden reiche Nachkommen von Adligen eine Art geschlossene Gesellschaft. Menschen mit Adelstiteln gelten vielen allein schon aufgrund ihres sozialen Netzwerks als privilegiert.

Die CDU schickt einen "Marschall" und einen "Freiherrn" ins Rennen, von der FDP kommen ein "Graf" und ein "Prinz" - wenngleich Hermann Otto Prinz zu Solms-Hohensolms-Lich in der Öffentlichkeit als Hermann Otto Solms auf das Führen seines Titels verzichtet.

Sieben weitere Abgeordnete haben Namensbestandteile wie "von". Sie verteilen sich auf alle Fraktionen bis auf die CSU. In den anderen Parteien ist der Anteil von Menschen mit adligen Nachnamen in der CDU am größten und in der SPD am kleinsten.

115 Juristen, drei Landwirte und ein Buchhändler

Wer im Berufsleben täglich Gesetze auslegt, entwickelt offenbar irgendwann eher das Bedürfnis, selbst den Gesetzgebungsprozess zu gestalten, als Vertreter anderer Berufsgruppen. 16 Prozent des Bundestagsplenums geben dem Bundeswahlleiter zufolge an, bis zu ihrer Kandidatur einen juristischen Beruf ausgeübt zu haben. In der CDU und FDP ist sogar jeder Vierte Anwalt, Richter, Rechtsreferendar oder, laut eigener Berufsbeschreibung, ganz allgemein "Jurist". Den geringsten Juristenanteil hat die Linke mit sechs Prozent.

Ebenfalls häufig vertreten sind Ärzte, die sich auf alle Fraktionen verteilen, und Lehrer, von denen nur die CSU keinen in den Bundestag schickt. Auffällig ist, dass nur neun Abgeordnete Handwerker sind.

Die vier Abgeordneten, die als Hauptberuf ihre Tätigkeit in einer Gewerkschaft oder im Betriebsrat angeben, sitzen alle für die Linke und die SPD im Parlament. Die einzige Hausfrau ist Sozialdemokratin - genau wie der einzige Buchhändler, der gescheiterte Kanzlerkandidat Martin Schulz.

Von drei Landwirten ist einer Mitglied der Grünen. Die anderen beiden Landwirte gehören zur Union, die außerdem einen Winzer nach Berlin schickt. Passend zur programmatischen Ausrichtung der FDP geben elf ihrer Vertreter explizit "Unternehmer" oder "Selbstständig" an. Außerdem ist unter den Liberalen eine "Fundraiserin".

Fast ein Viertel der Abgeordneten gibt an, zuletzt bereits Berufspolitiker gewesen zu sein.

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