182 000 neue Wohnungen:Bauboom in Deutschland

Seit Jahren hat es nicht mehr so viele Baugenehmigungen gegeben. Dennoch sieht das Finanzministerium keine Immobilienblase.

Von Michael Bauchmüller und Cerstin Gammelin, Berlin

In Deutschland sollen so viele neue Wohnungen errichtet werden wie seit Anfang des Jahrtausends nicht mehr. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurden allein in der ersten Hälfte des Jahres 182 000 neue Wohnungen genehmigt, fast 43 000 mehr als im vorigen Jahr - ein Plus von 30 Prozent. Zuletzt waren hierzulande im Jahr 2000 so viele Wohnungen genehmigt worden. "Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagte Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD). "Wichtig ist jetzt, dass die genehmigten Wohnungen auch zügig gebaut werden."

Vor allem in Ballungsräumen und im Umland der großen Städte sind den Zahlen zufolge neue Wohnungen geplant. So stieg die Zahl der Genehmigungen im Umland Hamburgs um mehr als die Hälfte, im Ballungsraum Rhein-Ruhr um 57 Prozent. In Stuttgart wurden 43 Prozent mehr Wohnungen genehmigt. Allerdings enthalten die Zahlen auch 12 400 Wohnungen, die bundesweit in Flüchtlingswohnheimen entstehen sollen. Vor allem an Rhein und Ruhr dürfte ein Großteil des Anstiegs darauf zurückgehen. Jenseits der Wohnheime bleibt aber immer noch ein Anstieg der Baugenehmigungen um gut 22 Prozent.

Zuletzt hatten niedrige Zinsen den Bau neuer Wohnungen und Häuser beflügelt. Viele Privatleute stecken ihr Geld lieber in ein Eigenheim, statt es zu geringen Zinssätzen anzulegen. Entsprechend günstig sind auch Immobilienkredite. Die Folge: Bundesweit wurden binnen sechs Monaten 50 000 Genehmigungen für den Bau von Einfamilienhäusern erteilt, fast 6000 mehr als im Vorjahr. Allerdings mangelt es vor allem in den Ballungsräumen weiterhin an günstigem Wohnraum. Experten gehen davon aus, dass jährlich zwischen 350 000 und 400 000 Wohnungen neu gebaut werden müssen, um dem Mangel zu begegnen.

Die Immobilienwirtschaft reagierte am Donnerstag zurückhaltend auf den sprunghaften Anstieg. "In absoluten Zahlen bleiben wir leider weit entfernt von den Zielwerten", sagte Axel Gedaschko, Chef des Branchenverbands GdW. In vielen Städten fehle es derzeit an günstigem Bauland. Allerdings ist auch die Zahl der Baugenehmigungen für Dachausbauten oder Aufstockungen bestehender Gebäude rapide gestiegen - um fast 50 Prozent. Bauherren brauchen hier kein zusätzliches Bauland.

Anzeichen für eine Immobilienblase gebe es aber nicht, heißt es aus dem Bundesfinanzministerium - trotz der wachsenden Baulust im Land. Man sehe "derzeit keine Anhaltspunkte dafür, dass sich aus der Darlehensvergabe für deutsche Wohnimmobilien akute Risiken für die Finanzstabilität ergeben", sagte eine Sprecherin. Dennoch verfolge man die Entwicklungen am Immobilienmarkt aufmerksam. In Spanien und Irland hatte ein Bauboom zu Beginn des Jahrtausends geradewegs in eine Finanzkrise geführt. Viele der neuen Wohnungen fanden keine Abnehmer, Bauherren blieben hoch verschuldet zurück, Banken drohten pleitezugehen. Um solche Szenarien in Deutschland zu vermeiden, plant die Bundesregierung, ein Register einzuführen, in dem alle Hypothekendarlehen der Banken verzeichnet sind.

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