Neue SPD-Spitze:Der Schöne und das Biest

Die SPD hat einen neuen Vorstand gewählt und die Ergebnisse geben eine deutliche Hackordnung vor. Doch die Machtverteilung zugunsten Sigmar Gabriels birgt Risiken - eines davon heißt Andrea Nahles.

Thorsten Denkler, Dresden

Es hat keine 24 Stunden gedauert, da hat der Parteitag in Dresden der SPD eine neue Führung verpasst. Nicht, dass es jemanden erstaunt. Die Namen standen vorher schon fest, auch wenn Neu-Parteichef Sigmar Gabriel zuvor schon fast aufdringlich betonte, lediglich in aller Bescheidenheit ein Kandidat zu sein.

Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Andrea Nahles

Die neue Führungs-Troika der SPD: Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Andrea Nahles

(Foto: Foto: dpa)

Und doch ist vieles anders als gedacht. Vor allem, dass die Machtverhältnisse in der SPD sich so klar zeigen, ist überraschend. Gabriel hat - gemessen an der Lage der Partei - mit 94 Prozent ein eher unwirkliches Ergebnis eingefahren. Die Stellvertreter sind in seltener Einmütigkeit mit sehr guten Ergebnissen bedacht worden.

Nur Andrea Nahles fällt raus. Bis gestern noch Partei-Vize ist sie mit 69 Prozent quasi zur Generalsekretärin degradiert worden.

Der Deal war in ihren Augen ein anderer. Doppelspitze, das ist es, was sich Nahles im Grunde vorgestellt hat. Sie wollte die mächtige Linke an Gabriels Seite sein, die Aufpasserin im Zentrum der Parteimacht.

Das Ergebnis hat Nahles zunächst auf Normalmaß zurecht gestutzt. Die für Wahlergebnisse bis zur zweiten Stelle hinter dem Komma feinfühligen Genossen haben Gabriel klar zum Boss gemacht. Er wird sie das spüren lassen. Dafür reicht die alte Gegnerschaft der beiden locker aus.

Auch die Rolle von Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ist geklärt. Er stand hier zwar nicht zur Wahl, dennoch ist sein Auftritt mit Spannung erwartet worden.

Doch die, die ihn gerne in einer stärkeren Rolle in der Partei gesehen hätten, wurden enttäuscht. Er erreichte nicht mal, dass sich die Delegierten bequemten, nach seiner Rede von den Stühlen aufzustehen. Und mit Steinmeier sprach doch immerhin der Kanzlerkandidat, dem alle in der Partei für ein Jahr mit lautem Hosianna gefolgt sind.

Diese eindeutige Hackordnung birgt zumindest für Gabriel auch einige Risiken. Das größte heißt Andrea Nahles. Sie hat schon so manche Männer der SPD über die Klinge springen lassen. Dass ihr das Ergebnis nicht schmeckt, wird sie nicht daran hindern, nach einer Schonfrist wieder verstärkt auf eigene Rechnung zu arbeiten.

Das nächste Risiko: Gabriel kann die fast übermenschlichen Erwartungen nicht erfüllen. Niemand glaubt, dass jetzt alles in Butter ist und schon gar nicht würde ihm angelastet, wenn die wichtige Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai verloren geht.

Aber Gabriel hat ein großes Fass aufgemacht, der den kompletten Umbau der SPD nach sich ziehen muss. Er will im Grunde eine New-SPD, inhaltlich und strukturell.

Dazu braucht er nicht nur die Basis, dafür braucht er vor allem das Willy-Brandt-Haus. Die Beharrungskräfte der Parteizentrale sind nicht zu unterschätzen. In den vergangenen Jahren sind hier die Chefs so oft ausgewechselt worden, dass sie ein Eigenleben entwickelt hat, das der SPD nicht immer dienlich war.

Ein weiteres Problem sind die Flügel der Partei, die pragmatischen Netzwerker, die rechten Seeheimer, die Linken. Deren Protagonisten beschwören zwar bei jeder sich bietenden Gelegenheit, wie wichtig ihnen die Geschlossenheit der SPD sei. Wenn es aber drauf ankommt, lassen sie ihre Muskeln spielen.

Der Parteitag läuft gut für die SPD. Die echte inhaltliche Debatte aber steht noch aus. Die Frage mit welchen Themen die Menschen wieder für die SPD begeistert werden sollen, ist längst nicht beantwortet. Nicht mal die Frage, ob die SPD diesen Weg schafft.

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