Frankreich:Sarkozy versucht es mit Härte

Frankreich: "Wer mich liebt, der folgt mir": Nicolas Sarkozy (Mitte) glaubt, dass er der Einzige ist, der den Front National bei der Präsidentschaftswahl 2017 in Frankreich stoppen kann.

"Wer mich liebt, der folgt mir": Nicolas Sarkozy (Mitte) glaubt, dass er der Einzige ist, der den Front National bei der Präsidentschaftswahl 2017 in Frankreich stoppen kann.

(Foto: AFP)

Kleinkriminelle will er in den Knast stecken, Terrorverdächtige internieren. Nicolas Sarkozy präsentiert sich als Mann von Recht und Ordnung - und hofft so, erneut Präsident zu werden.

Von Christian Wernicke, Paris

Demütig wollte er klingen. Und einsichtig, so als habe der Aspirant in den Jahren seit dem Rückzug aus der lauten Politik etwas dazugelernt über die Welt. Und über sich selbst. Ausgerechnet Konfuzius, Chinas antiken Philosophen, bemühte Nicolas Sarkozy, als er zu Jahresbeginn sein Buch "La France pour la vie" (Frankreich fürs Leben) vorstellte. "Der Bogenschütze ist das Modell eines Weisen", zitierte Frankreichs Ex-Präsident den Lehrmeister von Gleichmut und Harmonie, "wenn er die Mitte des Zieles verfehlt, so sucht er die Ursache bei sich selbst."

Sarkozy zeigte Reue, bedauerte Fehler seiner Regierung ("Ich habe zu viel auf einmal angefangen") wie seines Charakters ("Mit mehr Abstand erkenne ich nun, dass ich anderen auf die Nerven gehen konnte"). Mea culpa, insgesamt 27 Mal. Der Zweck dieser öffentlichen Beichte war offensichtlich: Sarkozy bat um die Gnade seiner Landsleute - und suchte ihre Absolution für einen neuen, den zweiten Anlauf zur Macht. Nun ist es so weit: Der 61-jährige Tatmensch kündigte seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2017 an.

Überrascht hat das niemanden im Land. Spätestens seit dem Herbst 2014, seitdem Sarkozy sich zurückmeldete auf der nationalen Bühne und den Vorsitz seines politisch wie finanziell bankrotten Wahlvereins namens UMP übernahm, wussten die Franzosen: Der Mann will zurück in den Élysée-Palast. Sarkozy taufte die Partei um zu "Les Républicains", besetzte Schlüsselposten mit Getreuen, die nun den Apparat auf Linie halten sollen. Neuer Parteichef wurde am Dienstag der konservative Laurent Wauquiez, beinhart rechter Volkstribun und republikanischer Jungstar.

Der neue Sarkozy ist der Alte

Erstaunlich ist, wie schnell Sarkozy die konfuzianische Weisheit seines Bogenschützen vergessen hat. Von jener Mitte, die der frühere Präsident noch vor acht Monaten verhieß, ist nichts mehr übrig. Stattdessen hat er in einem weiteren Buch ("Tout pour la France") auf 230 Seiten so eindeutig wie einseitig einen strammen Rechtsschwenk vollzogen.

Der neue Sarkozy ist der Alte, nur gedopt: Terrorverdächtige würde er in Internierungslager stecken, bis 2022 will er jedwede Einwanderung aufs Festland stoppen, und die Migranten möchte er in die Schranken weisen, indem er Kopftücher oder salafistische Gewänder auch von Universitäten und Arbeitsplätzen verbannt. "Es ist Zeit, einen entschlossenen Kampf gegen Multi-Kulti zu führen", schreibt Sarkozy, denn: "Die Franzosen leiden unter der Tyrannei der Minderheiten."

Das klingt, als habe Sarkozy bei Marine Le Pen abgekupfert, der Chefin des Front National. Genau das soll es auch. Der Ex-Präsident fischt am rechten Rand, er will jene Millionen Franzosen zurückgewinnen, die der Rechtspopulistin seit 2012 zugelaufen sind und deren "Bewegung" - im jeweils ersten Wahlgang - zuletzt mehrmals zur "ersten Partei Frankreichs", so ein FN-Slogan, werden ließen.

Fast alle Umfragen verheißen Le Pen den Einzug in die Stichwahl

Genau dieses Szenario droht auch am 23. April 2017, dem Tag der ersten Runde der Präsidentschaftswahl: Fast alle Umfragen verheißen Marine Le Pen den Einzug in die Stichwahl. Frankreichs politische Klasse treibt deshalb nur ein Ziel um: Jeder will wenigstens Zweiter werden im ersten Urnengang - um zwei Wochen später in der Stichwahl am 7. Mai 2017 als "Präsident aller Demokraten" gegen die FN-Chefin zu bestehen.

Das ist Sarkozys Traum, das war - neben dem Wunsch nach Revanche für die Schmach der verlorenen Wahl von 2012 - sein Motiv. "Ich bin der Einzige, der Le Pen stoppen kann", sagte der kleine Mann mit dem großen Ego im Kreis von Vertrauten schon vor mehr als zwei Jahren. Damals hielt es Sarkozy noch für unwürdig, sich als Ex-Präsident der Mühsal einer partei-internen Kandidatenkür per Vorwahl zu unterwerfen. "Da mach' ich nicht mit", raunte er, "ich werde mit meinem Hubschrauber auf dem platten Land landen und sagen: ,Wer mich liebt, der folgt mir.' Ihr werdet sehen, wie sich Leute aus allen Parteien hinter mir einreihen werden."

Doch da muss er durch. Erstmals werden die Anhänger der französischen Rechten ihren Spitzenkandidaten per Urwahl bestimmen. Die "Primaire" ist offen: Nicht nur Parteimitglieder, sondern alle Wähler des Zentrums und der Konservativen dürfen gegen einen Obolus von zwei Euro im November mit(be)stimmen. Experten rechnen mit bis zu drei Millionen Vorwählern. Je mehr Franzosen mitmachten, so lauteten lange die Prognosen aller Demoskopen, desto schlechter stünden Sarkozys Chancen. Alain Juppé, der gemäßigte Ex-Premier mit dem Image des Staatsmanns, liegt vorn. Aber es könnte knapp werden: Der Vorsprung des 71-jährigen Bürgermeisters von Bordeaux schmilzt zusammen.

Die Arbeitslosigkeit ist nicht mehr das größte Problem

Die Terroranschläge vom Juli haben die Stimmung gedreht und eröffnen Sarkozy, schon als Innenminister ein Mann von Recht und Ordnung, neue Aussichten. "Das Klima hat sich verändert", frohlockt Brice Hortefeux, einer seiner engsten Vertrauten. Eine Umfrage des anerkannten IFOP-Instituts bestätigt den Trend. Kurz vor den Terroranschlägen von Paris im November 2015 hielt jeder dritte Franzose die Arbeitslosigkeit für das dringendste Problem der Nation; nur 18 Prozent bangten zuerst um ihre Sicherheit. Jetzt gilt umgekehrt: Für 58 Prozent aller Wähler hat die innere Sicherheit Priorität, nur jeder Sechste denkt zuerst an Jobs.

Sarkozy bedient dieses Bangen, indem er ein Programm der Angst verfasst. Kleinkriminelle will er mit Mindeststrafen häufiger und länger ins Gefängnis stecken, junge Schulabbrecher unter 25 Jahren würden zum eigentlich abgeschafften Militärdienst verpflichtet. Radikale Imame will er ausweisen und Lager nach dem Vorbild des US-Camps Guantanamo bauen, in denen Verdächtige ohne gerichtsfeste Beweise landen könnten. Wie zuletzt während des Algerienkrieges vor mehr als 50 Jahren soll ein Sondergerichtshof für Staatssicherheit mutmaßliche Terroristen aburteilen. Einreisenden Ausländern will Sarkozy einen "Pakt zur Assimilation" verschreiben, Nachfahren von Einwanderern würde der Weg zur Staatsbürgerschaft erschwert.

All das, so schwört der Kandidat, diene dem Ziel, "Frankreichs Identität" zu bewahren - "unser erster Kampf, um unsere Lebensweise zu verteidigen". Das klingt, als rufe der Krieger Sarkozy frei nach Konfuzius zu den Waffen. Nur darauf, die Mitte zu treffen, pfeift er dabei.

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