Netzpolitik:Lukas, 13 Jahre alt, Cybermobbing-Experte

Lukas Pohland

Erst Beschützer, dann Opfer, jetzt Experte: Lukas Pohland.

(Foto: Stefanie Lategahn/dpa)
  • Lukas Pohland ist 13 Jahre alt und wurde selbst Opfer von Cybermobbing.
  • Der Schüler gründete eine Hilfe-Hotline und gibt anderen Betroffenen Tipps, wie sie damit umgehen sollten.
  • Jetzt hat er vor einem Ausschuss des Landtags von NRW über sein Engagement berichtet.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf, und Paul Munzinger

Zwei Fragen muss der Sachverständige Lukas Pohland schon vor der Anhörung beantworten. Ob er nervös sei? Ein bisschen, sagt er. Ob man ihn duzen darf? Ja, man darf.

Mittwochvormittag im Landtag von Nordrhein-Westfalen, der Ausschuss für Schule und Bildung tagt. Es geht um die Frage, wie Schulen im Kampf gegen Cybermobbing unterstützt werden können. Fast alle Jugendlichen haben heute ein Smartphone, und dass sie einander damit nicht nur Smileys, sondern auch die ein oder andere Bösartigkeit schicken, ist ein Problem, das Schüler, Lehrer und Bildungsexperten seit Jahren beschäftigt. Ein brisantes Thema, doch für diese Anhörung hätte sich unter normalen Bedingungen wohl trotzdem kaum jemand interessiert. Aber normal ist es eben nicht, wenn einer der geladenen Sachverständigen 13 Jahre alt ist.

Lukas Pohland, Realschüler aus Schwerte, war zwölf, als einige seiner Mitschüler begannen, ein Mädchen in der Klasse mit den Mitteln der modernen Kommunikation zu drangsalieren. Das Ganze entstand aus einem harmlosen Streit und endete in einer Whatsapp-Gruppe, in der die halbe Klasse versammelt war. Bald kursierten dort Beleidigungen und Drohungen. Lukas Pohland, selbst nicht in der Gruppe, fiel auf, dass mit der Schülerin "irgendwas nicht stimmte". Er fragte nach, sie wollte erst nichts erzählen und dann erzählte sie doch. Und als die Runde machte, dass Lukas Pohland mit dem Mädchen sprach, wurde auch er zur Zielscheibe. Er erhielt anonyme SMS-Nachrichten, wurde beschimpft und bedroht. Aus einem "Opfer" waren zwei geworden.

Mit Screenshots als Beweismaterial gingen die beiden zur Schulleitung. Die versprach, so erzählt Lukas Pohland, eine schnelle Reaktion und tat dann nichts. "Ich fühlte mich im Stich gelassen", sagt er am Mittwoch im Landtag. Die Schule teilt in einer Stellungnahme mit, es könne sein, "dass Betroffene in einem konkreten Fall von Cybermobbing die bewährten Strukturen aufgrund der persönlichen Betroffenheit nicht oder nicht vollständig im Blick haben". Das Angebot war da, soll das heißen, wurde aber nicht genutzt. Erfreulich sei es, dass Lukas im schulischen Alltag für den verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien sensibilisiert werden konnte. Damit spiegele er auch den Geist der Schule wider. Im Juli soll es nun einen Projekttag zum Thema Cybermobbing geben.

Laut einer Studie hat jeder fünfte Jugendliche Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht

Dass Lukas Pohland diese Geschichte ein Jahr später im Landtag erzählt und dann noch einmal für die TV-Kameras, souverän und verblüffend erwachsen, liegt nicht daran, dass sie so außergewöhnlich wäre; jeder fünfte Jugendliche hat einer Studie zufolge schon Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht. Es liegt daran, dass die Geschichte hier erst richtig beginnt.

"Cybermobbing", sagt Lukas Pohland, "findet nicht nur an unserer Schule statt, sondern an jeder Schule." Er nahm Kontakt zu einer Kölner Cyberpsychologin auf, schrieb einen Brief an den Landtagspräsidenten in Düsseldorf und gründete eine Hotline für Betroffene. Hilfe bekommen sie dort immer mittwochs, von Lukas Pohland und neun anderen Jugendlichen. Es geht um Beleidigungen auf Whatsapp, um Nacktfotos auf Facebook, um peinliche Videos auf Youtube. Lukas Pohland rät ihnen dann, Beweise zu sichern, mit den Eltern zu sprechen, mit der Schule, wenn nötig mit der Polizei. Oft helfe es schon, wenn die Anrufer mit jemandem sprechen können, der genauso alt ist wie sie, den sie aber nicht kennen.

In der Schule, findet Lukas Pohland, gibt es noch viel zu wenig Angebote zu dem Thema. Die Lehrer müssten bereits in der Ausbildung auf das Problem vorbereitet werden, schon an Grundschulen müsse es Prävention geben. Mobbing ist nicht erst mit dem Smartphone an die Schulen gekommen, das weiß Lukas Pohland sozusagen aus den Geschichtsbüchern. Aber es gebe zwei große Unterschiede: Die Täter wüssten beim Cybermobbing oft gar nicht, was sie anrichten - "weil sie die physische und psychische Reaktion des Opfers nicht mitbekommen". Und für die Opfer seien die Schikanen früher zumindest dann vorbei gewesen, sobald sie die Wohnungstür hinter sich zumachten. Heute habe man sie in der Hosentasche immer dabei.

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