Netz-Berühmtheit verhaftet:Der Moonwalk des Terrors

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In der Castingshow "Canadian Idol" hat er schlecht gesungen und in traditioneller Tracht den Moonwalk getanzt. Die Fans lieben ihn dafür. Jetzt ist Khurram Sher verhaftet worden - weil er einer Terrorgruppe angehört und Kontakte zu al-Qaida gepflegt haben soll.

Hätte der junge Mann Gangsta-Rap zum Besten gegeben oder knüppelharten Death Metal, dann hätte es zumindest ein bisschen gepasst. Aber auch mutmaßliche Terroristen mögen offenbar seichte Popsongs, und so sang Khurram Sher das Lied Complicated von Avril Lavigne, als er 2008 an der kanadischen Fernseh-Castingshow Canadian Idol teilnahm.

"Willst du nicht vielleicht Comedian werden?" - Khurram Shers Auftritt bei "Canadian Idol" (Foto: Screenshot von Youtube)

Jetzt wurde Sher verhaftet - weil er angeblich Teil einer islamistischen Terrorzelle ist, die Menschen mit selbst gebastelten Bomben in die Luft sprengen wollte.

Zumindest die Zuneigung zur Religion war vor zwei Jahren schon zu erkennen, als Sher bei der Castingshow auftrat. Er war gewandet in Pakul, Salwar und Kamiz, also in Strickhut, Hemd und Hose, wie sie vor allem im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet getragen werden. Er sprach einen heftigen Akzent und ließ die Jury ganz demokratisch darüber abstimmen, was er denn singen solle.

"Willst du nicht Comedian werden?"

Gewünscht wurde Complicated - und Sher trällerte so fröhlich, laut und falsch, dass das Urteil der Jury lautete: "Das war ein ziemlich hochtalentierter Scheißgesang."

Seine Tanzeinlage jedoch, eine eigenwillige Interpretation des berühmten Moonwalks von Michael Jackson, beeindruckte die Talentjäger, die ihn fragten: "Willst du nicht vielleicht Comedian werden?"

Nach der Ausstrahlung im kanadischen Fernsehen machte Kurram Shers skurriler Auftritt Karriere bei Youtube. Ein Nutzer kommentierte unter dem Video: "Das ist ein terroristischer Akt." Ein Scherz, der aus heutiger Sicht gar nicht mehr lustig ist.

Reisen in die Grenzregion

Tatsächlich soll Sher terroristische Akte geplant haben, weshalb die kanadische Polizei den 28-Jährigen festnahm - gemeinsam mit seinen mutmaßlichen Komplizen Hiva Alizadeh (30) und Misbahuddin Ahmed (26). Dem Trio wird zur Last gelegt, Sprengstoffanschläge geplant und Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida gehabt zu haben.

Die kanadischen Behörden vermuten, dass zumindest Alizadeh in der Vergangenheit in die Grenzregion zwischen Afghanistan und Pakistan reiste und dort Kontakt zu al-Qaida-Mitgliedern hatte.

Auch Möchtegern-Star Sher soll nach Recherchen kanadischer Medien schon einmal in Pakistan gewesen sein. Die Tageszeitung Globe & Mail berichtet, nach Abschluss seines Medizinstudiums sei der junge Arzt nach Pakistan gereist, um nach dem verheerenden Erdbeben von 2006 Wiederaufbauhilfe zu leisten.

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Dass er, wie er bei "Canadian Idol" behauptet, gebürtiger Pakistaner sei, stimmt jedoch nicht. Der ausgebildete Pathologe ist den Behörden zufolge in Kanada geboren und aufgewachsen. Damit fällt er unter die von internationalen Geheimdiensten gefürchtete Gruppe der "homegrown terrorists". Nicht nur al-Qaida rekrutiert immer häufiger Mitglieder, die westliche Pässe besitzen, in ihren Heimatländern ausgebildet wurden und dort ein unauffälliges Leben führen.

Heutzutage mag es für viele Teenager normal sein, bei einem Gesangswettbewerb im Fernsehen aufzutreten - unauffällig ist es jedoch nicht. Kurram Shers Auftritt bei der kanadischen Version von "Deutschland sucht den Superstar" war in Blogs und auf Scherzseiten schnell der Renner, oft gepostet und noch öfter kommentiert.

"Großartiger Hockeyspieler"

Sogar eine Facebook-Gruppe mit dem Titel "Khuram Sher is our Canadian Idol" entstand, sie hat derzeit 335 Mitglieder und erklärt auf der Startseite: "Zu Ehren von Khuram Sher, dessen Auftritt der beste in der Geschichte von Canadian Idol war."

Zur Person Khurram Sher erklärt die Gruppe: "Er ist in Montreal geboren und aufgewachsen; er ist Vater und ein Arzt, der McGill Med absolvierte, er ist nun Klinikarzt ... und er ist ein großartiger Hockeyspieler."

Freunde und Bekannte beschreiben Sher in kanadischen Zeitungen als Scherzkeks, der den Auftritt als Witz gemeint habe. "Ein typischer Khurram", behauptet ein Cousin. Viele äußern jedoch, seine Motive für den Auftritt schon damals nicht verstanden zu haben.

Noch unglaublicher als Shers Stunt bei "Canadian Idol" erscheint seinen Bekannten nun jedoch, dass er Mitglied einer Terrorzelle gewesen sein soll.

Experimente mit explosiven Stoffen

Nachbarn und Freunde beschreiben ihn als freundlich und nett und wollen an seine Unschuld glauben. Nicht einmal praktizierender Muslim sei er gewesen, sagen Kollegen. Erst vor vier Wochen hat der mutmaßliche Terrorist eine neue Stelle als Pathologe in einem Krankenhaus angetreten, sein Chef bezeichnet ihn als "sehr professionell".

Auch einer der anderen beiden Verdächtigen gibt Rätsel auf. Über Hiva Alizadeh ist nur bekannt, dass er 30 Jahre alt ist und Elektroingenieurswesen in Winnipeg studierte. Ihm wird derzeit am meisten angelastet.

So soll er laut Globe&Mail nicht nur wie die anderen Sprengstoffanschläge geplant und Verbindungen zum Terrornetzwerk al-Qaida gehabt haben, sondern auch tatsächlich explosive Substanzen besessen und mit ihnen experimentiert haben. Der dritte Verdächtige, Misbahuddin Ahmed, spielte mit Khurram Sher in einer Hockeymannschaft und arbeitete als Röntgenassistent in derselben Klinik.

Voraussichtlich am 1. September wird das Terror-Trio erstmals vor Gericht erscheinen. Es ist davon auszugehen, dass die dortige Jury weniger Humor hat als jene bei "Canadian Idol".

© sueddeutsche.de/Barbara Vorsamer/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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