Netanjahus Attacke auf Obama:Hang zur Hybris

Dreist und gefährlich: Israels Premier Netanjahu fordert US-Präsident Obama zu kriegerischem Handeln gegen Iran auf. Damit schadet er seinem Land - und sich selbst.

Peter Münch

Von Sarah Netanjahu, der treu sorgenden Ehefrau des israelischen Premierministers, ist die Einschätzung überliefert, dass ihr "Bibi" gewiss auch das Zeug hätte zum amerikanischen Präsidenten. Ein paar Formalitäten halten ihn von diesem Karrieresprung ab, doch immerhin macht er nun schon einmal Wahlkampf in Washington.

Obama will not receive Netanyahu in US

Bedrohung für die amerikanisch-israelische Freundschaft und damit für das Überleben des Kleinstaats im Nahen Osten: Israels Premier Benjamin Netanjahu ist mit seiner Attacke auf US-Präsident Barack Obama auf einer einsamen Mission.

(Foto: AFP)

In der Debatte um "rote Linien" für Iran zuckt er selbst nach den klarsten Absagen der US-Regierung nicht zurück, sondern legt im Gegenteil noch einmal nach. In gleich zwei Fernsehinterviews mit CNN und NBC drängt er Barack Obama zum kriegerischen Handeln und fordert ihn damit auf dessen heimatlichem Boden zum Duell. Das ist dreist, und es ist gefährlich - vor allem für Netanjahu und für Israel.

Netanjahus Hang zur Hybris wird beflügelt von unzweifelhaftem Talent und einer juvenilen Prägung. Er wurde in den USA ausgebildet, also spricht, denkt und argumentiert er wie ein Amerikaner. Er weiß, wie er Obama in die Enge treiben kann mit dem Vergleich zu John F. Kennedy, der doch in der Kuba-Krise der Sowjetunion mit Erfolg "rote Linien" gesetzt habe.

Er legt den Finger gezielt in die Wunden der Nation, wenn er die iranischen Bombenbastler mit dem Oklahoma-Attentäter Timothy McVeigh vergleicht oder die Teheraner Führung mit dem wild gewordenen Mob, der gerade quer durch die islamische Welt US-Einrichtungen stürmt. Die Botschaft ans amerikanische Volk 50 Tage vor der Wahl ist eindeutig: Obamas Außenpolitik ist falsch, feige und verantwortungslos.

Allerdings ist nicht zu erwarten, dass sich der US-Präsident von Netanjahu durch Interviews in einen Krieg treiben lässt, den er nicht führen will. Obama und seine Leute haben deutlich gemacht, dass sie gar nicht daran denken, sich durch Ultimaten jegliche Flexibilität im Umgang mit dem iranischen Regime nehmen zu lassen.

Nicht einmal der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney, Netanjahus vermeintlicher Bruder im Geiste, hat das Konzept der "roten Linien" übernommen - ganz einfach, weil es nicht klug wäre zum jetzigen Zeitpunkt, und weil es auch nicht im amerikanischen Interesse sein kann, sich vom Regierungschef eines nahöstlichen Kleinstaats das Gesetz des Handelns aufzwingen zu lassen.

Seine einsame Mission

Netanjahu also ist auf einer einsamen Mission, und er leidet offensichtlich unter der Erkenntnis, dass ihm ohne Unterstützung der USA die Hände gebunden sind. Mit seinen lautstarken Interviews hat er nun zwar bewiesen, dass er noch nicht geknebelt ist, aber trotz des Getöses ist kaum damit zu rechnen, dass er Israels alte Drohung vom militärischen Alleingang wahr macht.

Denn selbst wenn ihm seine Sarah einflüstern würde, er könne das iranische Atomprogramm ganz allein im Cockpit einer F-16 erledigen, sollte Netanjahu klug genug sein zu wissen, dass das nicht ausreicht. Entscheidend für den Erfolg eines Militärschlags ist nicht der Tag des Angriffs, sondern es sind die Wochen, Monate und Jahre danach. Dann nämlich braucht Israel die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, um Iran langfristig einzudämmen.

Gewinnen also kann Netanjahu nichts mit seinen Angriffen auf Obama. Aber er kann sehr viel verlieren. Denn mit seinem diplomatischen Amoklauf ruiniert er nicht nur die Beziehung zum jetzigen und womöglich auch künftigen US-Präsidenten. Er droht überdies der amerikanisch-israelischen Freundschaft, die nichts weniger ist als Israels Überlebensgarantie, ernsten Schaden zuzufügen.

Wenn er den Ast, auf dem er sitzt, weiter mit der Axt bearbeitet, wird man ihm das auch zu Hause bald nicht mehr verzeihen. Seine Tage als Premier könnten dann schneller gezählt sein, als er jetzt noch glaubt. Und US-Präsident, sorry Sarah, wird er nicht mehr werden.

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