Neonazis attackieren Lokalzeitung:"Lügenpresse halt die Fresse"

Die Redakteure der "Lausitzer Rundschau" in Spremberg berichten seit Jahren über die Aktivitäten der Neonazis in Brandenburg. Die schickten eine klare Botschaft: Sie hängten die Eingeweide eines toten Tieres an die Tür und beschmierten die Scheiben der Redaktion. Die Redakteure wollen trotzdem weitermachen.

Constanze von Bullion

Der Anblick war nicht erbaulich, die Botschaft unmissverständlich. In der Nacht zum 1. Mai haben Unbekannte - wieder einmal - die Lausitzer Rundschau in Spremberg aufgesucht. Diesmal hängten sie die Eingeweide eines frisch geschlachteten Tieres, vermutlich eines Schweins, über das Logo der Brandenburger Lokalzeitung. Das Tierblut sammelte sich auf dem Boden, noch am nächsten Morgen waren die Scheiben rot verschmiert. Auch auf dem Briefkasten lagen Innereien. "Lügenpresse halt die Fresse", hatte jemand auf die Scheiben der Redaktion geschmiert. Bei der Lausitzer Rundschau haben sie die Botschaft verstanden. "Wir fühlen uns ermuntert, noch intensiver zu recherchieren", sagte Chefredakteur Johannes M. Fischer am Mittwoch.

Neonazis attackieren Lokalzeitung: Die Lausitzer Rundschau ist bekannt dafür, dass sie engagiert über braune Aktivitäten berichtet - was Konsequenzen hat.

Die Lausitzer Rundschau ist bekannt dafür, dass sie engagiert über braune Aktivitäten berichtet - was Konsequenzen hat.

(Foto: Lausitzer Rundschau)

Spremberg in der Lausitz, das ist ein Sorbenstädtchen mit mittelalterlichem Kern, hübsch restaurierten Häuschen und einer rechtsextremistischen Szene, die nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes besonders aggressiv auftritt. Sie sammelt sich jenseits der NPD in freien Kameradschaften oder im "Widerstand Südbrandenburg" und ist vernetzt mit Gleichgesinnten in Sachsen. Kaum jemand in Spremberg bezweifelt, dass Mitglieder der Szene auch hinter den Angriffen auf die Zeitung stecken.

Die Lausitzer Rundschau ist bekannt dafür, dass sie engagiert über braune Aktivitäten berichtet - was Konsequenzen hat. Die Reporterin Simone Wendler, die schon vor Jahren für ihre Recherchen über eine Schmiergeldaffäre in Cottbus ausgezeichnet wurde, hat publik gemacht, wie Rechtsextremisten Kampfsportvereine in der Lausitz unterwandern und Jugendliche ködern. Ein Cottbuser Boxer wurde daraufhin aus dem Verein geworfen.

Der Spremberger Lokalredakteur René Wappler berichtete über Ausländerhass, der "bei vielen Bürgern tief verankert" sei. Kürzlich schrieb er auch über 30 Neonazis, die sich vermummt und mit Fackeln versammelt hatten. "Hier in Spremberg scheint sich die Neonaziszene besonders seit Beginn des Jahres wohl zu fühlen", sagt Wappler, der sicher ist, dass das Blut an der Fassade der Arbeit seiner Redaktion gilt.

"Fürchten? Eher nicht", sagt der Redakteur, wenn er gefragt wird, wie die Stimmung so ist in einer Redaktion, die zwei Nächte hintereinander angegriffen wurde. "Es ist da ordentliche Schlachterarbeit geleistet worden", sagt Wappler lakonisch, "wir machen natürlich weiter." Auch Chefredakteur Fischer gedenkt nicht, den Kurs des Blattes zu ändern. Bagatellisieren aber will er die Einschüchterungsversuche nicht. "Das ist eine handfeste Drohung, sie richtet sich nicht nur gegen Personen, sondern auch gegen die Meinungsfreiheit", sagt Fischer. "Ich halte dieses Unvermögen, andere Meinungen zu ertragen, für äußerst primitiv und gefährlich."

Die Cottbuser Polizei sieht die Sache ähnlich. "Wir nehmen das sehr ernst, das ist kein Dummer-Jungen-Streich", sagt die Sprecherin. So etwas habe es noch nie gegeben in der Gegend. Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) hat die Angriffe "aufs schärfste" verurteilt. "Nichts trifft die Neonazis so sehr wie eine breite Information und öffentliche Auseinandersetzung", sagte er.

Immerhin, so bemerken Beobachter, habe Spremberg nicht weggeschaut. Es waren Nachbarn, die den nächtlichen Anschlag auf die Redaktion der Polizei meldeten. Und der Bürgermeister hat neulich vor rechten Aktivitäten gewarnt. "Die wissen, dass sie ein Problem haben, und gehen es offensiv an", sagt Gordian Meyer-Plath. Er ist Referatsleiter beim Brandenburger Verfassungsschutz, zuständig für politischen Extremismus, und im Süden des Landes beobachtet er eine hohe Aktivität der rechten Szene. "Da gibt es einen Schulterschluss von rechtsextremen Hooligans, Rockern und knallharten Neonazis", sagt er. In Spremberg sei aber auch die linke Szene ungewöhnlich aktiv, was die Auseinandersetzungen verschärfe.

Mehrmals wurden Wahlkreisbüros von SPD, Linken und Piraten angegriffen. Neonazis fielen stärker als anderswo durch einen offenen NS-Bezug und antisemitische Parolen auf. Auch ein Schwein, so der Verfassungsschützer, könne als judenfeindliche Geste verstanden werden, aber das sei bislang "nur Spekulation". In Spremberg ist jetzt der Staatsschutz unterwegs.

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