Bundestagswahl:So aggressiv macht die AfD Wahlkampf auf Facebook

Bundestagswahl: "Das Instrument Facebook ist wie für uns gemacht": Seit ihrer Gründung nutzt die AfD das soziale Netzwerk intensiv. Auf dem Handydisplay ein Auftritt von Parteichefin Frauke Petry.

"Das Instrument Facebook ist wie für uns gemacht": Seit ihrer Gründung nutzt die AfD das soziale Netzwerk intensiv. Auf dem Handydisplay ein Auftritt von Parteichefin Frauke Petry.

(Foto: Dominik Asbach/laif)
  • Die AfD hat von Anfang an auf Facebook gesetzt, um schnell, direkt und preiswert Werbung für sich zu machen.
  • Im Bundestagswahlkampf helfen ihr dabei zwei Mitarbeiter der US-Agentur Harris Media, die Wahlkampagnen extrem zuspitzt.
  • Durch gezielte Grenzverletzungen weicht die Partei die ungeschriebene Regel der deutschen Politik, einen Rest Anstand zu wahren, immer weiter auf.

Von Jens Schneider, Berlin

Der Anblick der Webseite ist schwer zu ertragen. Für ihre Urheber aber scheint sie ein Erfolg zu sein. Gibt man in der Suchmaschine das Stichwort "Eidbrecherin" ein, taucht die Seite oben als Vorschlag auf. Wer sie anklickt, landet bei einer schwarzen Montage. Die Kanzlerin ist zu sehen, dahinter die Konturen der Berliner Gedächtniskirche, ein Bild vom Breitscheidplatz, wo im Dezember 2016 zwölf Menschen einem islamistischen Terroranschlag zum Opfer fielen. Nach wenigen Sekunden beginnt das Bild der Kanzlerin zu flackern, man kann nicht lange hinsehen. Auf der Webseite ist der Amtseid der Bundeskanzlerin zitiert, darunter steht die Zahl von Terroropfern. Angela Merkel wird dafür persönlich die Schuld zugeschrieben.

Wohl nie zuvor hat es in einem Wahlkampf in Deutschland eine so perfide Form des "Negative Campaigning" gegeben. Es bricht die ungeschriebene Regel der deutschen Politik, im Wahlkampf einen Rest Anstand zu wahren. Es ist die Zuspitzung des von Grenzüberschreitungen geprägten Internet-Wahlkampfs, den die AfD in den letzten Tagen brutal forciert. Eine Kampagne, die im Vergleich zu Plakaten oder Werbespots extrem schnell und mit wenigen Leuten gemacht werden kann, wie es in der Parteizentrale heißt. Dort hat man das Gefühl, dass herkömmliche Wahlkampf-Methoden nachrangig werden, setzt stark auf das Internet und erfreut sich an Klickzahlen, die in die Hunderttausende gehen.

"Harris Media" arbeitete schon für Trump und Netanjahu

Auffällig an der düsteren Webseite ist, dass man sie nicht als AfD-Seite erkennt, es sei denn, man klickt das Impressum an. Das steigere die Wirkung, heißt es in der Schillstraße am Berliner Tiergarten. Dort sitzen Urheber und Auftraggeber nahe beieinander in der Bundesgeschäftsstelle der AfD. Verantwortlich ist, so steht es im Impressum, die AfD, vertreten durch den Bundesvorstand, hier Alice Weidel und Alexander Gauland, die beiden Spitzenkandidaten. "Ja, das ist von uns", sagt Gauland. Weiter erklären will er den Auftritt nicht und verweist an die Bundesgeschäftsstelle. Er bestätigt, dass er sie abgesegnet habe. Dahinter steckten: "die Leute von Harris".

Gemeint sind zwei Mitarbeiter der amerikanischen Agentur Harris Media, die den Ruf hat, Kampagnen im Internet extrem zuspitzen zu können - erfolgreich, selbst wenn das viele abstoßend finden. Das Gesicht des Unternehmens aus Austin in Texas ist Vincent Harris, der sich auf der Unternehmens-Webseite rühmt, Kampagnen mehrerer konservativer amerikanischer Präsidentschaftskandidaten digital betreut zu haben. Er koordinierte auch den digitalen Wahlkampf von Israels Premier Benjamin Netanjahu. Für Donald Trumps Kampagne arbeitete seine Agentur dem Vernehmen nach kurz als Subunternehmer. Harris ist wie die Mitglieder seines Teams unter dreißig und sehr konservativ.

Die AfD engagierte die Amerikaner für die letzten Wahlkampfwochen. Zwei Mitarbeiter sind in der Parteizentrale am Tiergarten in die Kampagne eingebunden, wobei der zweite erst vor wenigen Tagen eintraf, um das deutschsprachige Team zu unterstützen. Beide sind dafür zuständig, die AfD-Kampagne weiter zu verschärfen.

Das Social-Media-Team der AfD macht Vorschläge, die Amerikaner spitzen sie zu

Alles entsteht in enger Kooperation mit dem Kreativdirektor der AfD-Kampagne, Thor Kunkel, einem rechtslastigen Schriftsteller, der auch die Plakatkampagne und den Slogan "Trau dich, Deutschland!" entwarf. Seine Plakate mit Slogans wie "Bikini statt Burka" sind in der AfD umstritten. Die Spitzenkandidatin Weidel lehnt sie ab, sie werden nicht überall eingesetzt. Beim digitalen Marketing ist der Einsatz der beiden Amerikaner Teil der Online-Maschinerie der AfD. Sie sprechen kein Deutsch, bekommen Vorschläge von einem fünfköpfigen Social-Media-Team der Partei, die sie zuspitzen, bevor wieder übersetzt wird.

Die Methode entspricht der langfristigen Strategie der AfD, die seit ihrer Gründung 2013 sofort und mehr als alle anderen Parteien auf das Internet und vor allem auf Facebook setzt. Das begann unter dem Parteigründer Bernd Lucke, der längst die AfD verlassen hat. "Wir haben uns als AfD von Beginn an auf Facebook konzentriert", sagt Parteisprecher Christian Lüth. "Es ist ein schneller, direkter und preiswerter Zugang zu den Menschen."

Man habe keine andere Wahl gehabt. Bei den klassischen Medien komme die Partei "nur gefiltert und gefärbt" durch. Bei Facebook kann die AfD aussenden, was sie will, ohne dass Journalisten ihre Botschaften hinterfragen oder über die Berichterstattung entscheiden - und die AfD-Anhänger nehmen alles begierig auf. Debatten auf den Seiten der AfD zirkulieren oft in einer eigenen Welt, mit eigenen Wahrheiten. Das gilt noch mehr für geschlossene Gruppen, aus denen dann gelegentlich durch Leaks menschenverachtende Dialoge bekannt werden.

Ungefiltert, enthusiastisch, noch radikaler als die Partei selbst

"Das Instrument Facebook war und ist wie für uns gemacht", sagt Lüth. Hinter diesem Erfolg steckt Kalkül, aber auch der Umstand, dass von Eifer getriebene Anhänger der AfD deren Themen durch extreme Aktivität in den Vordergrund befördern, die Algorithmen der Suchmaschinen reagieren darauf. Ungefiltert und oft enthusiastisch und noch eine Spur radikaler kommentiert, verteilen die AfD-Anhänger deren Botschaften im Netz.

Gefüttert wird der rechte Resonanzraum aus der Parteizentrale mit Dutzenden täglichen Aussendungen, bei denen etwa das Gesicht der AfD-Spitzenkandidatin Weidel gezeigt wird, die aktuelle Nachrichten kommentiert. Zum Beispiel die Meldung von einer Gewalttat in Berlin, bei der jemand attackiert wurde, angeblich, weil er ein Kreuz trug. Weidels Kommentar: "Unfassbar, was sich in unserem Land abspielt!" Das wird tausendfach geteilt.

Anders als bei normalen Kampagnen kann die AfD an Klickzahlen sofort die Resonanz erkennen und erfolgversprechende Themen und Schlüsselwörter weiter aufgreifen. Die Social-Media-Leute posten, beobachten und moderieren. Dazu gibt es andere, rechte Online-Seiten, die mit einem extremen Auftritt die AfD stützen. "Damit haben wir nichts zu tun", sagt der Sprecher. "Aber wir beobachten es und versuchen einzugreifen, wenn da etwas läuft, das rechtlich problematisch ist." Die neue Webseite aus dem eigenen Haus zeigt, dass die Grenzen weit gesteckt sind.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: