Nebeneinkünfte von Abgeordneten:Lammert kritisiert Debatte um Steinbrück

"Mehr Neugier als Demokratie": Bundestagspräsident Lammert zeigt sich über die Debatte um Nebeneinkünfte von Abgeordneten irritiert. Inzwischen gehen auch der Angesprochene und die Opposition zum Angriff über.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat über die Diskussion über die Offenlegung von Nebeneinkünften von Abgeordneten Befremden geäußert. "Transparenz sei ein unverzichtbarer Bestandteil jedes demokratischen Systems, dürfe aber nicht zum Selbstzweck verkommen", sagte er der Welt am Sonntag.

Bislang müssen die Abgeordneten ihre Nebeneinkünfte in drei Stufen angeben: von 1000 bis 3500 Euro, dann bis 7000 Euro und von mehr als 7000 Euro. "Mich hat an der aktuellen Debatte manches eher irritiert als überzeugt. Manche Vorwürfe - sowohl aus den Medien als auch aus den politischen Lagern - fand ich nicht aufrichtig", sagte er.

Er nehme zur Kenntnis, dass "wir alle nicht den durchsichtigen Bürger wollen", sagte Lammert. "Aber wenn es einen nicht selbst betrifft, sondern den Nachbarn, kann es offensichtlich gar kein Übermaß an Durchsichtigkeit geben", monierte er. "Da erscheint mir oft die Neugier ausgeprägter als das demokratische Prinzip."

Lammert spricht nicht aus, um wen es geht, aber wenn man in den vergangenen Wochen nicht auf dem Mond gelebt hat, ist klar, um wen es geht: Den designierten SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück. Und der will jetzt in den kommenden zwei Wochen den angekündigten Bericht eines Wirtschaftsprüfers über seine Nebeneinkünfte vorlegen.

"Es bleibt bei meiner Zusage", sagte er am Samstag in Frankfurt nach Gesprächen mit der hessischen SPD-Spitze. Seinen Kritikern in den Reihen von Union und FDP warf Steinbrück "eine erstaunliche Scheinheiligkeit und Bigotterie" vor. Sie hätten schärfere Regeln bislang blockiert und reagierten auf neue Vorschläge verhalten.

Die SPD wird nach Angaben von Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier "noch in der nächsten Woche einen Vorschlag zur erheblichen Verschärfung der Regeln" vorlegen. In der Bild am Sonntag attackierte er namentlich die FDP-Politiker Patrick Döring und Guido Westerwelle: "Diese scheinheilige Gesellschaft von Union und FDP werden wir uns jetzt zur Brust nehmen. Das muss man sich mal vorstellen: Der FDP-Generalsekretär Döring kassiert als Aufsichtsrat der Deutschen Bahn und Westerwelle hat noch als Fraktionsvorsitzender Vorträge gegen Honorar gehalten."

Steinmeier wies Kritik an Steinbrück mit scharfen Worten zurück: "Man hat ja fast den Eindruck, als dürften Sozialdemokraten kein Geld verdienen. Dazu sag ich nur: Das hätten manche im konservativen Lager vielleicht gerne so." Steinbrück selbst befürchtet durch die Debatte über Nebeneinkünfte keine Nachteile für seinen Wahlkampf: "Das ist dann abgefrühstückt."

Erstmals seit seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten wird es in der kommenden Woche ein Rededuell zwischen ihm und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geben. "Ich werde auf die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin am kommenden Donnerstag antworten", kündigte Steinbrück an.

"Brandmauer" zwischen Nebeneinkünften und Bestechung

Die Opposition macht derweil Lösungsvorschläge in der Debatte um die Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Eine "Brandmauer" zwischen Nebeneinkünften und Bestechung will die Linkspartei mit einem eigenen Vorstoß zu neuen Transparenzregeln für Abgeordnete errichten. Parteichefin Katja Kipping sagte der Leipziger Volkszeitung: "Ich plädiere für eine Obergrenze bei den Nebeneinkünften. Wenn die Nebeneinkünfte den Betrag der Diät überschreiten, sollten die Abgeordnetenbezüge anteilig abgeschmolzen werden", verlangt Kipping. Wer neben dem Abgeordnetenmandat mehr als das Doppelte des Diätenbetrags verdiene, so die Konsequenz des Vorschlages, "würde dann keine Diäten mehr bekommen". Transparenz sei gut, klare Regeln seien besser.

Es müsse eine klare Trennlinie zwischen Nebeneinkünften und Bestechung gezogen werden. "Wenn man, wie Herr Döring von der FDP, neben den Abgeordnetendiäten mindestens drei Gehälter nebenbei bezieht, dann stellt sich schon die Frage, welchem Auftraggeber er wann dient."

Piratenchef Bernd Schlömer fordert für Parlamentsabgeordnete die Pflicht zur vollkommenen Offenlegung von Nebeneinkünften. Angesichts der aktuellen Debatte verlören die Bürger das Vertrauen in die Politik, schrieb Schlömer in der Zeitung Bild am Sonntag. "Ich fordere deshalb, dass die Nebeneinkünfte von Abgeordneten auf den Betrag genau veröffentlicht werden", schrieb er.

Schlömer verlangte, offengelegt werden müssten Aufwandsentschädigungen für Aufsichts- und Beiratsmandate und Honorare für Anwaltstätigkeiten. "Abgeordnete, die Lobbyisten juristisch beraten, müssen von ihrer anwaltlichen Schweigepflicht entbunden werden", forderte er. Ehemalige Ministerpräsidenten, Minister oder Staatssekretäre sollten nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt eine Zeit lang keine Arbeit annehmen dürfen, die inhaltlich im Zusammenhang mit ihrer politischen Tätigkeit steht.

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