Nato tagt in Berlin:Außen-vor-Minister Westerwelle

Die Nato streitet in Berlin über den Libyen-Einsatz - und der Gastgeber schaut zu. Während Franzosen und Briten auf härtere Maßnahmen gegen Gaddafi dringen, bleibt Deutschlands Außenminister Westerwelle nur die Rolle des Grüßaugusts. Der FDP-Politiker hätte dringend einen Erfolg nötig.

Michael König

"Der kann es nicht", raunen Parteifreunde. Rücktrittsgerüchte machen die Runde, die Zweifel an der Kompetenz des Außenministers werden immer größer. Sein Amt als Parteivorsitzender ist der Vizekanzler nach schwachen Wahlergebnissen bereits los, die FDP stütze ihn nur noch mit "mit Pflichtübungen", klagt das Magazin Focus. Die taz spottet über die Englischkenntnisse des Außenministers: "'I have a suitcase in Berlin since my student-days" - habe der sich beim Gala-Diner im Berliner-Gropius-Bau "erbärmelt".

NATO-Aussenministertreffen

Frankreichs Außenminister Alain Juppé (links) mit seinem Kollegen Guido Westerwelle in Berlin: "Das Vertrauen ist nicht zerstört."

(Foto: dapd)

Außenminister Klaus Kinkel will damals, 1996, bei einem Treffen des Nato-Rats in Berlin ein "Signal" senden - für die Zukunft der Militärallianz, aber auch für die eigene Karriere. 15 Jahre später tagt der Nato-Rat wieder in Berlin, der Außenminister kommt wieder aus der FDP - und Guido Westerwelle ist ähnlich angeschlagen wie damals Kinkel. Wenn nicht noch schlimmer.

Während die Personaldebatte innerhalb seiner Partei immer noch lodert, muss Westerwelle außenpolitisch größere Feuer austreten. Weil es der Nato-Mission in Libyen an sichtbaren Erfolgen mangelt und die Rebellen weiterhin nach Hilfe rufen, wächst innerhalb der Allianz der Ärger - auch auf Deutschland.

"Die EU sollte eigentlich geschlossen sein"

Die Bundesregierung beteiligt sich nicht an den Luftschlägen gegen das Regime von Machthaber Muammar al-Gaddafi und will die Bundeswehr allenfalls zu einem humanitären Einsatz nach dem Krieg in das nordafrikanische Land schicken. Eine Position, die auch in Berlin wieder heftige Kritik aus dem Ausland erntet - versteckt in diplomatischen Statements.

So klagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn im ARD-Morgenmagazin, er hätte sich gewünscht, dass die europäischen Länder mit einer Stimme gesprochen hätten. Die internationale Gemeinschaft setze sich für Menschenleben in Libyen ein. "Da sollte die EU eigentlich geschlossen sein", sagte Asselborn.

Frankreichs Außenminister Alain Juppé fühlte sich vor seinem Treffen mit Westerwelle bemüßigt, grundsätzlich festzustellen: "Das Vertrauen ist nicht zerstört." Man sei einig über das Ziel, Gaddafi zu stürzen, nur über den Weg gebe es Unterschiede. Westerwelle spricht von einer "Bewährungsprobe" für die "tiefe und innige" deutsch-französische Freundschaft.

Schwellenländer gegen Militäreinsatz in Libyen

Nach dem Treffen heißt es, die kontroversen Fragen seien offen und ehrlich angesprochen worden. Westerwelle ermahnte Gaddafi, den Krieg gegen sein Volk zu beenden. Juppé rief die Akteure in Libyen auf, in einen nationalen Dialog zu treten. Beides Aufforderungen werden angesichts der aktuellen Lage in dem nordafrikanischen Land wohl ungehört verhallen - es sei denn, die Nato erhöht den Druck.

Genau das wollen Frankreich und auch Großbritannien durchsetzen, stoßen aber auf Skepsis und Ablehnung bei anderen Ländern. Die aufstrebenden und bevölkerungsreichen Wirtschaftsmächte Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika haben sich bei ihrem parallel stattfindenden Treffen im südchinesischen Sanya besorgt über die Militärschläge der Nato gezeigt. Die sogenannten Brics-Staaten "teilen den Grundsatz, dass der Einsatz von Gewalt gemieden werden sollte", hieß es in einer Erklärung.

Innerhalb der Nato ist das Ausmaß der Gewalt umstritten: Während Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen die bisherigen Luftschläge als Erfolg bezeichnet, will Italien die Rebellen mit Waffen ausrüsten. Franzosen und Briten fordern wiederum ein härteres Durchgreifen gegen Gaddafi - bei ihnen wachse der Frust über die zögerlich verlaufende Mission stetig, heißt es. Ein Treffen mit Westerwelle wird da kaum Besserung bringen.

So wie einst Klaus Kinkel

Als er vor einem Jahr die Einladung an 60 Delegationen mit 800 Personen aussprach, zum Frühjahrstreffen der Nato-Außenminister nach Berlin zu kommen, sah es so aus, als könne Westerwelle sich mit seinen Lieblingsthemen profilieren: Afghanistan und nukleare Abrüstung. Angesichts der Lage in Libyen sind das jedoch Nebensächlichkeiten - und Westerwelles Hauptaufgabe liegt darin, einen Streit zu moderieren, in dem er eine einsame Position vertritt.

Dem FDP-Politiker bleibt nur übrig, Verständnis für den Einsatz der anderen zu zeigen - und gleichzeitig die deutsche Haltung zu bekräftigen. Er ist Gastgeber und Grüßonkel der Veranstaltung. Damit kann er bei seinen Kollegen kaum einen Stich machen - und in der öffentlichen Wahrnehmung schon gar nicht.

52 Prozent für Rösler, 56 gegen Westerwelle

Dabei wäre Westerwelle wie ehedem Klaus Kinkel dringend auf einen Stimmungsumschwung angewiesen. SPD-Altkanzler Helmut Schmidt sagte bei einem Auftritt in Hamburg, der Außenminister mache "alles falsch". Innerhalbder Partei ist die große Personaldebatte vorerst beendet, doch das Grummeln geht weiter. Führende Liberale, darunter der Kinkel-Vorgänger Hans-Dietrich Genscher, haben sich unzufrieden mit der Neuordnung an der Spitze gezeigt. Und auch Westerwelles designierter Nachfolger Philipp Rösler ließ zuletzt anklingen, dass ein Umbruch unumgänglich sei.

In einer aktuellen Forsa-Umfrage gaben 52 Prozent der Befragten an, sie wünschten sich für Rösler eine wichtige Rolle. Der Gesundheitsminister erzielte damit mit Abstand den besten Wert aller FDP-Spitzenpolitiker. Im Wahltrend verbesserten sich die Liberalen allerdings nur um einen Prozentpunkt auf vier Prozent und würden damit bei der nächsten Bundestagswahl am Wiedereinzug ins Parlament scheitern. Auch für Westerwelle persönlich bleiben die Zahlen düster: 56 Prozent der Befragten befürworten seinen Rücktritt als Außenminister.

Kinkel, der Sportfachmann

Westerwelle wird seinen Posten wohl nicht freiwillig räumen. Das hat er mit seinem Vorgänger Klaus Kinkel gemein.

Der kassierte zwei Jahre nach dem Nato-Außenministertreffen in Berlin mit der FDP eine krachende Niederlage bei der Bundestagswahl. Schwarz-Gelb wurde 1998 abgewählt, Rot-Grün übernahm die Macht und Joschka Fischer löste Kinkel im Auswärtigen Amt ab.

Die politische Karriere des gescheiterten Außenministers war damit allerdings nicht beendet: Er wurde sportpolitischer Sprecher seiner Partei. Westerwelle hat in dieser Richtung bislang keine Ambitionen erkennen lassen.

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