Nato:Stoltenbergs Strohhalm

Donald Trump hatte im Wahlkampf gesagt, dass er ein "großer Fan" der Nato sei. Aber er hat auch so ziemlich das Gegenteil gesagt. Das hat die Verbündeten verschreckt. So richtig wissen sie nicht, was sie jetzt von ihm zu erwarten haben.

Von Daniel Brössler

Es ist vielleicht nur ein Strohhalm, aber Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg greift danach. Donald Trump habe doch im Wahlkampf gesagt, er sei "ein großer Fan" der Nato. Er, Stoltenberg, sei daher sicher, "dass er ein Präsident der Vereinigten Staaten sein wird, der allen Verpflichtungen der Vereinigten Staaten in der Allianz gerecht wird". Nun hat Trump im Wahlkampf ganz unterschiedliche Dinge gesagt, unter anderem auch, dass auf Beistand nur hoffen könne, wer seine "Rechnungen bezahlt" habe. Seitdem ist die Frage, ob die USA uneingeschränkt zum Nordatlantik-Vertrag stehen.

Bis zum Beweis des Gegenteils ist man bei der Nato und bei den europäischen Verbündeten wild entschlossen, sie mit Ja zu beantworten. Die transatlantische Partnerschaft liege im europäischen Interesse, sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Dienstag nach einem Treffen der EU-Verteidigungsminister, an dem auch Stoltenberg teilnahm. "Wir glauben, dass sie auch im Interesse anderer Länder - auf der anderen Seite des Atlantiks - liegt." Zwar hat die EU soeben einen Plan auf den Weg gebracht, der ihre Rolle in der Verteidigung stärken soll, doch dieser basiert auf der Annahme, dass die Nato weiterhin ihre wesentliche Funktion erfüllt: die territoriale Verteidigung des Bündnisgebiets.

Es gehe um Zusammenarbeit mit der Nato, nicht um Konkurrenz zu ihr, betonte auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Bereits beim Nato-Gipfel im Juli in Warschau hatten Allianz und Union eine Kooperationsvereinbarung geschlossen. Sie soll derzeit in 40 konkreten Projekten mit Leben erfüllt werden. Es geht da etwa um den gemeinsamen Schutz gegen Cyberangriffe. Auf diese in Vor-Trump-Zeiten vereinbarte Kooperation verweisen die Europäer nun. Wir wissen, dass wir mehr Verantwortung für die eigene Verteidigung übernehmen müssen - und sind auch schon dabei. So lautet die Botschaft.

Das gilt auch für Trumps Lieblingsthema: das Geld. Tatsache ist, dass die meisten europäischen Nato-Staaten relativ weit vom vereinbarten Ziel entfernt sind, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu stecken. Allerdings konnte Stoltenberg unlängst eine Trendwende verkünden: Das erste Mal seit vielen Jahren seien die Verteidigungsausgaben der Nato-Länder 2015 wieder leicht gestiegen. Und wenn Trump die steigenden Ausgaben demnächst als seinen eigenen Erfolg verkauft, wird man bei der Nato wohl lieber nicht widersprechen.

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