Nato-Oberkommandierender:"Die Russen müssen ihr Verhalten ändern"

Curtis Scaparrotti, der neue Nato-Oberkommandierende, wünscht sich im SZ-Interview mehr Kommunikation mit Moskau.

Interview von Daniel Brössler

Sein Vorgänger Philip Breedlove hatte - vor allem in Deutschland - nicht nur Freunde. Als Nato-Oberkommandierender griff der im Mai ausgeschiedene US-General mitunter zu deutlichen Worten, zum Beispiel in Richtung Russland. Neuer Nato-Oberkommandierender ist der US-General Curtis Scaparrotti. Der 60-Jährige, mit Erfahrung an Kriegsschauplätzen von Bosnien über den Irak bis Afghanistan, ist eher ein Mann, der leise spricht. Mit öffentlichen Stellungnahmen hielt er sich bisher zurück. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung lobt er die Beschlüsse des Gipfels von Warschau.

SZ: Die Beschlüsse des Gipfels werden im Bündnis als historisch bezeichnet. Sehen Sie das als Soldat auch so?

Curtis Scaparrotti: Ich denke ja. Der Gipfel hat Einheit und Zusammenhalt von 28 Bündnisnationen in einem sehr komplexen und sich veränderndem Sicherheitsumfeld gezeigt. Von dieser Sicherheitslage werden wir so gefordert wie seit Ende des Kalten Krieges nicht mehr.

Beschlossen wurde unter anderem die Entsendung von vier Bataillonen in östliche Nato-Staaten. Was können 4000 Soldaten Ihrer Meinung nach im Ernstfall ausrichten?

Nato-Oberkommandierender: Besser vorbereitet sein: Ein Fallschirmspringer während der Zeremonie für den neuen Nato-Oberkommandierenden Curtis Scaparrotti.

Besser vorbereitet sein: Ein Fallschirmspringer während der Zeremonie für den neuen Nato-Oberkommandierenden Curtis Scaparrotti.

(Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP)

Eine Menge. Sie stehen für ein Bekenntnis der 28 Nato-Staaten zu Artikel 5 des Nordatlantikvertrages, also zur Verteidigung der Nato und ihres Territoriums. Diese Kräfte sind Teil einer viel größeren Konstruktion. Seit dem Gipfel in Wales 2014 haben wir unsere Anstrengungen in allen Bereichen verstärkt, nicht nur am Boden, sondern auch in der Luft und auf See. Hinzu kommen die Entscheidungen hier in Warschau zur Raketenabwehr. Das alles trägt zum Abschreckungseffekt bei.

Für die baltischen Staaten geht es darum, ob sie sich sicher fühlen können vor einer russischen Bedrohung.

Sie können sich sicherer fühlen aufgrund dieser zusätzlichen Kräfte und anderer Anpassungen. Die vier Bataillone an der östlichen Flanke sind von großer Bedeutung, aber sie sind Teil eines Systems, das kontinuierlich verbessert werden wird.

Bald tagt der Nato-Russland-Rat. Das ist die politische Ebene. Gibt es genug militärische Kommunikationskanäle?

Curtis  M. Scaparrotti

Curtis Scaparrotti, 60, ist neuer Oberkommandierender der Nato.

(Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP)

Zur Abschreckung gehört auch der Dialog. Er ist sogar eine wichtige Komponente. Ich würde mir mehr Kommunikation wünschen und ganz sicher mehr Transparenz auf der russischen Seite. Das wäre für beide Seiten besser, um sicherzustellen, dass es nicht zu einem Unfall oder einer Fehleinschätzung kommt. Das kann immer passieren, etwa im internationalen Luftraum, wo unsere Kräfte in großer Nähe zueinander operieren. Mehr Kommunikation mit den Russen ist aus meiner Sicht also immer nützlich. Aber die Russen müssen auch ihr Verhalten ändern, damit wir zu dem Maß an Transparenz und Vertrauen kommen, das nötig wäre.

Wie könnte das praktisch aussehen? Geht es um ein rotes Telefon?

Vor Jahren hatten wir einen offenen Kanal - selbst in Zeiten des Kalten Krieges. Es ist wichtig, dass wir die Möglichkeit haben, unsere Absichten mitzuteilen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn wir Nato-Übungen abhalten, sind wir offen. Wir nennen den Russen die Zeit, die beteiligten Einheiten und was wir tun. Das meiste davon stellen wir sogar auf unsere Webseite, wo sie es abrufen können. Im Gegenzug sind die großen blitzartig anberaumten Übungen der Russen für uns unvorhersehbar. Wir werden über sie nicht informiert. Das ist ein Problem. Würden sie uns unterrichten, würde das die Spannungen abbauen und Vertrauen aufbauen.

In Deutschland hat es Kritik an Säbelrasseln von Seiten der Nato gegeben. Nehmen Sie solche Kritik ernst?

Schauen Sie sich an, was wir tun: Wir üben das, was nötig ist, um die Nato und die Länder an der Grenze zu verteidigen. Das haben wir auch bei der Übung im Juni gemacht. Diese Übungen sind zielgerichtet und in ihrer Natur defensiv. Sie stellen in keiner Weise eine Bedrohung dar. Verglichen mit dem, was wir auf der anderen Seite der Grenze bei den Russen sehen, sind sie bei Weitem nicht so groß. Da gibt es weder eine Warnung noch eine Unterrichtung über die Absichten. Es handelt sich da meistens um komplexe, hochmoderne offensive Übungen. Das ist es, was uns bei der Nato Sorge bereitet.

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