Nato in Afghanistan:iWar

Mit dem Handy in die Schlacht: Ein Programm für das iPhone hilft Scharfschützen dabei, die Flugbahn ihrer Projektile zu berechnen. Nato-Soldaten jagen damit bereits Taliban.

Moritz Koch, New York

Die kleinen Probleme des Alltags soll das iPhone lösen. Tüftler haben mehr als 100.000 Miniprogramme für das Handy des US-Technologiekonzerns Apple geschrieben, sogenannte Apps. Mit ihnen kann man Kinokarten kaufen, Blumen verschicken, Restaurants finden - und neuerdings auch Krieg führen. Eine App, die Scharfschützen dabei hilft, die Flugbahn ihrer Projektile zu berechnen, wird von westlichen Soldaten in Afghanistan benutzt.

Nato in Afghanistan: Ein iPhone-Programm, das Scharfschützen dabei hilft, die Flugbahn ihrer Projektile zu berechnen, wird von westlichen Soldaten in Afghanistan benutzt. Dieser US-Soldat ist noch ohne iPhone im Einsatz.

Ein iPhone-Programm, das Scharfschützen dabei hilft, die Flugbahn ihrer Projektile zu berechnen, wird von westlichen Soldaten in Afghanistan benutzt. Dieser US-Soldat ist noch ohne iPhone im Einsatz.

(Foto: Foto: dpa)

Das Programm heißt Bulletflight und wurde schon mehrere tausend Mal verkauft. Geschrieben hat es der Gewehrliebhaber Robert Silvers. Der 41-Jährige hat Computerwissenschaften an der Eliteuniversität Massachusetts Institute of Technology studiert. Kundschaft aus Kriegsgebieten freut ihn besonders. "Auch im Irak kommt das Programm zum Einsatz", sagt er stolz. Jeder, der eine Internetverbindung hat, kann Bullet-flight herunterladen.

Der Waffenhersteller Knights Armament vertreibt das Programm über Apples virtuelles Software- und Musikgeschäft iTunes. Eine Einsteigerversion ist für 3,99 Dollar zu haben. Die Profivariante, die selbst die Rotation der Erdkugel mit einberechnet, kostet 29,99 Dollar. Dass seine App ein potentielles Mordinstrument ist, beschäftigt Silvers nicht. "Ballistische Berechnungen sind allgemein bekannt", behauptet er. "Und Programme, die Scharfschützen beim Zielen helfen, gibt es seit längerem." Was Bulletflight besonders macht, ist, dass es keinen Computer benötigt. Das iPhone passt in jede Hosentasche. Spezielle Stative, mit denen das Handy an ein Gewehr montiert werden kann, gibt es ebenfalls.

Apps wie Bulletflight sind Teil eines Trends, der den Technologieaustausch zwischen Militär und Massenmarkt verändert. Die Militärforschung dient von jeher als Grundlage für die Entwicklung ziviler Produkte. Großraumflugzeuge, Navigationsgeräte, die ersten Computer, selbst das Internet beruhen auf militärischen Erfindungen. Doch inzwischen fließt der Technologiestrom auch in die andere Richtung.

Erst kürzlich wurde bekannt, dass die US-Luftwaffe 336 Playstations bestellt hat, um daraus einen Supercomputer zu bauen. Kleine Aufklärungsroboter werden bereits mit modifizierten Controllern der Spielkonsole XBox gesteuert. Zivile Entwickler haben Militärforscher in vielen Bereichen abgehängt. Ihr Vorteil: Sie können Entwicklungskosten auf dem Weltmarkt wieder einspielen. Rüstungskonzerne sind an wenige Großabnehmer gebunden, weil Waffenexporte streng reguliert werden.

iPhones beschafft die US-Armee noch nicht selbst. Doch viele Soldaten benutzten das Apple-Handy ohnehin, etwa als Übersetzungshilfe oder zum Fotoabgleich von Zielpersonen. Ist Bulletflight erst installiert, kann es Wind- und Wetterdaten herunterladen und die Position des Schützen bestimmen. Das Programm zeigt an, wie der Schütze sein Zielfernrohr einstellen muss, um es den Umweltbedingungen und dem Schusswinkel anzupassen. Freilich gibt es in den Bergregionen an der Grenze zu Pakistan, in denen sich die Taliban verstecken, kein Handynetz. Der Schütze muss die benötigten Daten selbst eingeben.

Natürlich ist Bulletflight nicht nur für Soldaten gedacht. Auch deutsche Jäger finden Gefallen an dem Programm. "Früher habe ich nach Gefühl geschossen", sagt etwa Christian Farhumand aus Seelscheid. Jetzt berichtet er von Traumtreffern wie diesem: ein Fuchs, 350 Meter entfernt und sofort tot. Waidmannsheil dank Bulletflight.

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