Napolitano-Nachfolge in Italien:Was für einen Präsidenten Draghi spricht - und was nicht

Napolitano-Nachfolge in Italien: Der alte Präsident und der junge Regierungschef: Giorgio Napolitano (li.) mit Matteo Renzi

Der alte Präsident und der junge Regierungschef: Giorgio Napolitano (li.) mit Matteo Renzi

(Foto: AFP)

Italien sucht einen neuen Präsidenten. Niemanden würde Berlin lieber im Amt sehen, als den inzwischen ungeliebten EZB-Chef Mario Draghi. Aber will der überhaupt? Und noch wichtiger: Will Premier Matteo Renzi den Rivalen in Rom?

Kommentar von Stefan Ulrich

Weil er das Land in den vergangen acht Jahren wie ein weiser Monarch führte, nennt man ihn "Re Giorgio", König Giorgio. Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano strahlt in der turbulenten römischen Polit-Szene Seriosität und Würde aus, Eigenschaften, die die Italiener oft an ihren Politikern vermissen. Fünf Regierungschefs folgten in diesen acht Jahren aufeinander. Korruptionsskandale kochten hoch.

Das Land wurde von der Finanz- und Wirtschaftskrise getroffen. Doch der Mann im ehemaligen Papst- und Königspalast auf dem Quirinalshügel sorgte dafür, dass Italien berechenbar blieb, von der Finanzwelt weiter Kredite bekam und sich daran machte, lange aufgeschobene Reformen anzugehen.

Der vom einstigen Kommunisten zum Sozialdemokraten gewandelte, klar europafreundliche Napolitano bewahrte seinem Land in trüber Zeit ein Stück Selbstachtung.

Schlechte Nachricht, dass König Giorgio geht

Dafür sollte ihm Europa dankbar sein. Es ist eine schlechte Nachricht, dass König Giorgio, inzwischen 89 Jahre alt, in wenigen Tagen vom Quirinal herabsteigt. Von der Parteien Gunst und Hass verschlissen, zieht er sich aufs Altenteil zurück. Italien muss sich einen neuen Präsidenten suchen, der in etwa die Qualitäten des alten aufweist.

Zahlreiche Namen werden genannt und wieder verworfen, vom Ex-Premier Romano Prodi bis hin zum Dirigenten Riccardo Muti. Eine Persönlichkeit aber sticht aus all diesen Kandidaten heraus: Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB).

Draghi, der seit drei Jahren im Frankfurter Eurotower residiert, bringt viel mit, was der nächste Staatschef braucht: Autorität, Erfahrung, beste Kontakte in Europa sowie intime Kenntnisse der Finanz- und Wirtschaftskrise. Er hat ein gutes Verhältnis zu Napolitano und liebt Rom als Wohnort mehr als Frankfurt.

Der EZB-Chef wird als Staatschef genannt - aber will er überhaupt?

Jahresrückblick 2014 - Mario Draghi

Bald Italiens Staatsoberhaupt? Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB)

(Foto: dpa)

Da Draghi sein Mandat als EZB-Chef weit auslegt und massenweise Staatsanleihen kaufen will, gerät er auf Konfrontationskurs mit Berlin. Für die Bundesregierung wäre es daher eine ideale Lösung, Draghi in den Quirinalspalast wegzuloben. Prompt ist derzeit in deutschen Medien oft von einem solchen möglichen Wechsel die Rede.

Die Frage ist nur: Will Draghi? Und will der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi, der großen Einfluss bei der Suche nach dem neuen Präsidenten hat? Als EZB-Chef ist Draghi, dessen Mandat in Frankfurt noch bis Herbst 2019 läuft, einer der mächtigsten Figuren Europas.

Im Kampf um die Rettung des Euro, für Wirtschaftswachstum und gegen Deflation steht er an entscheidender Position. Seine Rolle kann durchaus als historisch gelten. Ein Wechsel zurück nach Rom ins, laut Verfassung, eher repräsentative Amt des Staatspräsidenten wäre in gewisser Weise ein Abstieg. Zudem könnte der Eindruck entstehen, Draghi laufe vor den Problemen in der Eurozone davon. Das spricht dafür, dass er in Frankfurt bleibt und weiterkämpft.

Renzi dürfte Draghi in Frankfurt lieber sein

Für die italienische Regierung wiederum ist es finanzpolitisch und vom Prestige her ein Trumpf, dass in Draghi ein Italiener die EZB führt. Vor allem aber wird Renzi kaum daran interessiert sein, künftig einen Präsidenten im Nacken zu haben, der ihm ständig in die Wirtschafts- und Finanzpolitik hineinregiert.

Der junge Premier ist dafür bekannt, lieber keine starken Leute um sich zu scharen. Renzi entscheidet und glänzt in Rom gerne allein. Er dürfte es vorziehen, Draghi in Frankfurt zu belassen.

Das Präsidenten-Toto in Italien wird also weitergehen. Dem Ex-Premier Giuliano Amato und dem heutigen Finanzminister Pier Carlo Padoan werden gute Aussichten in der Wahlversammlung aus Abgeordneten, Senatoren und Regionsvertretern nachgesagt. Dürften die italienischen Bürger ihren neuen Staatschef selbst bestimmen, wäre die Entscheidung schon heute klar: Der Sieger hieße König Giorgio.

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