Nahostkonflikt:UN-Sicherheitsrat berät Lage in Nahost

Nahostkonflikt: Krise im Nahen Osten: Israelische Soldaten bei ihren Panzern nahe der Grenze zum Gazastreifen.

Krise im Nahen Osten: Israelische Soldaten bei ihren Panzern nahe der Grenze zum Gazastreifen.

(Foto: Ariel Schalit/AP)

Weil die Gewalt im Nahen Osten zunimmt, will der UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen. Israels Premier kündigt neue Luftangriffe an. Palästinenserpräsident Abbas wirft Israel vor, einen "Völkermord" zu begehen.

  • Weil die Krise im Nahen Osten eskaliert, wird der UN-Sicherheitsrat am Donnerstag über die Lage beraten.
  • Die Hamas feuert fortwährend Raketen auf israelisches Territorium ab, Israels Premier Netanjahu kündigt weitere Luftangriffe auf den Gazastreifen an.
  • Erstmals werden Raketen auf Israels einzigen Atomreaktor gefeuert.
  • Palästinenserpräsident Mahmud Abbas wirft Israel "Völkermord" vor.

UN-Sicherheitsragt tagt zu Nahostkrise

Die Vertreter des UN-Sicherheitsrats kommen am Donnerstag zu einem Dringlichkeitstreffen zum Nahost-Konflikt zusammen. Wie die ruandische Präsidentschaft des UN-Gremiums in der Nacht zum Donnerstag mitteilte, findet die Sitzung um 10 Uhr Ortszeit in New York statt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon werde die 15 Mitglieder bei dem Treffen über die Eskalation im Nahen Osten informieren, sagten Diplomaten am Mittwochabend.

Ban Ki Moon hatte den Konflikt zuvor als "eine der entscheidendsten Krisen der Region in den vergangenen Jahren" bezeichnet. "Gaza steht auf Messers Schneide", sagte Ban am Mittwoch vor Journalisten im Hauptquartier der UN in New York. "Die eskalierende Situation führt zu einem Teufelskreis, der schnell außer Kontrolle geraten könnte."

Kanzlerin Merkel telefoniert mit Netanjahu

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in die internationalen Bemühungen um eine Friedenslösung eingeschaltet. In einem Telefonat mit Israels Premier Netanjahu verurteilte sie die Raketenangriffe auf Israel aufs Schärfste, sagte eine Regierungssprecherin am Mittwochabend. Es gebe keinerlei Rechtfertigung dafür. Neben Merkel sprach Netanjahu am Mittwoch auch mit US-Außenminister John Kerry und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon über den jüngsten Ausbruch der Gewalt zwischen Israel und dem von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Gazastreifen

Netanjahu will Luftangriffe ausweiten

Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigt an, die Attacken auf Ziele im Gazastreifen zu intensivieren. Seine Regierung habe entschieden, "die Angriffe gegen die Hamas und die Terrorgruppen im Gazastreifen zu verstärken", so der Premier. "Die Armee ist auf jede Möglichkeit vorbereitet." Gleichzeitig droht Netanjahu der radikalislamischen Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert. Die Miliz werde "einen hohen Preis dafür zahlen, dass sie Raketen auf israelische Zivilisten abfeuert." Die Sicherheit seiner Bürger habe für Israel absolute Priorität.

Palästinenser-Präsident Abbas spricht von "Völkermord"

Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas richtet massive Anschuldigungen an Israel wegen der Luftangriffe. "Das ist ein Völkermord. Die Ermordung ganzer Familien ist ein Völkermord, den Israel an unserem palästinensischen Volk verübt", sagt Abbas nach einem Krisentreffen der palästinensischen Führung in Ramallah. Abbas und seine Fatah-Partei verwalten die Autonomiegebiete im israelisch besetzten Westjordanland. Vor einigen Wochen hatte Abbas seine Koalitionsregierung mit der bislang mit der Fatah verfeindeten Hamas geschlossen - ein Schritt, der in Israel massiv kritisiert wurde.

Raketenangriff militanter Palästinenser

Am Mittwochmorgen griffen radikale Palästinenser erneut den Großraum Tel Aviv mit Raketen an. Im Stadtzentrum heulten die Warnsirenen, Menschen eilten in die Schutzräume. Nach Angaben der Armee wurden zwei Geschosse im Großraum Tel Aviv abgefangen.

Raketenabwehrsystem in Ashdod, Israel

Israelische Raketenabwehrbasis bei Aschdod

(Foto: REUTERS)

Bereits am Dienstagabend hatten militante Mitglieder der im Gazastreifen herrschenden Palästinenserorganisation Hamas bereits Städte in Israel angegriffen, darunter auch Jerusalem. Bis Mittwochnachmittag sollen 165 Raketen auf Israel abgefeuert worden sein.

In der Küstenstadt Chadera nördlich von Tel Aviv sei eine Rakete eingeschlagen. Die Stadt liegt 117 Kilometer vom Gazastreifen entfernt. Dies sei der Raketenangriff mit der bisher größten Reichweite gewesen. Auf israelischer Seite wurden nach Angaben von Sanitätern mindestens zwei Menschen verletzt.

Raketen auf israelischen Atomreaktor

Erstmals haben Palästinensische Extremisten nach Angaben der israelischen Armee auch Raketen auf den einzigen Atomreaktor Israels in Dimona abgefeuert. Insgesamt seien drei Raketen auf Dimona abgeschossen worden, erklärten die Streitkräfte. Schäden oder Verletzte habe es nicht gegeben. Ds Kraftwerk liegt in der Negev-Wüste, rund 80 Kilometer südöstlich des Gaza-Streifens.

Zahlreiche Tote bei israelischen Luftangriffen

Die israelische Armee reagierte mit massiven Luftangriffen auf den Gazastreifen. Am Dienstag startete sie die Militäroffensive "Schutzrand". Bei der Angriffswelle wurden nach palästinensischen Angaben bis Mittwochnachmittag mehr als 40 Menschen getötet, mehr als 370 Menschen wurden demnach verletzt. Zu den Opfern zählen offenbar auch mehrere Kinder.

Allein in der Nacht zum Mittwoch flog die israelische Luftwaffe 160 Angriffe auf Ziele im Gazastreifen. Nach Angaben eines Armeesprechers wurden 120 Raketenwerfer, zehn Kommandoposten der Hamas und "zahlreiche" Tunnel bombardiert. Außerdem seien zwei Wohnhäuser von "Militärchefs der Hamas" und Büros des Innenministeriums und der Sicherheitskräfte der Hamas angegriffen worden. Bei dem Beschuss des Hauses eines Anführers der Al-Quds-Brigaden wurden nach palästinensischen Angaben auch mehrere Familienmitglieder getötet.

Israel hält sich auch die Möglichkeit einer Bodenoffensive im Gazastreifen offen. Die Armee hat angekündigt, bis zu 40 000 Reservisten einzuberufen. Über das weitere Vorgehen wird innerhalb der israelischen Regierung gestritten.

US-Präsident Obama ruft beide Seiten zur Mäßigung auf

"In diesem Moment der Gefahr müssen alle Beteiligten die Unschuldigen schützen, mit Vernunft und Maß agieren, nicht mit Rache und Vergeltung", schreibt Barack Obama in einem Gastbeitrag in der israelischen Zeitung Haaretz.

Der US-Präsident appelliert an die Konfliktparteien, jetzt mutige Entscheidungen zu treffen: "Beide Seiten müssen gewillt sein, für den Frieden Risiken in Kauf zu nehmen." Die USA hielten weiterhin eine Zweistaatenlösung für den einzigen Weg zu dauerhaftem Frieden in Nahost. "Die einzige Lösung ist ein demokratischer jüdischer Staat, der in Frieden und Sicherheit lebt, Seite an Seite mit einem existenzfähigen, unabhängigen Palästinenserstaat", sagt Obama.

Die amerikanische Unterstützung für Israel bezeichnet er dabei als nicht verhandelbar. "Ich habe es immer wieder gesagt: Weder die Vereinigten Staaten noch ich werden jemals in unserem Bekenntnis zu Israels Sicherheit und zum israelischen Volk wanken." Obama hatte eine Lösung des Nahostkonflikts bereits in seiner ersten Amtszeit zu einem der Schwerpunkte seiner Außenpolitik erklärt. Amerikanische Vermittlungsversuche waren allerdings bisher nicht erfolgreich.

Wie es zur neuen Eskalation des Nahostkonflikts kam

Auslöser für die neuen Spannungen sind die Entführung und die Ermordung von drei jüdischen Teenagern sowie der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jugendlichen. In letzterem Fall hat die israelische Polizei sechs jüdische Tatverdächtige festgenommen. Die verdächtigen Israelis würden derzeit psychiatrisch untersucht, meldete die Nachrichtenseite ynet.

Drei von ihnen haben israelischen Medienberichten zufolge den Mord gestanden. Die israelische Zeitung Haaretz schrieb, die Polizei habe die Tat mit den Verdächtigen nachgestellt. "Wir versuchen herauszufinden, welche Rolle jeder von ihnen genau gespielt hat", sagte Polizeisprecher Mickey Rosenfeld.

Es handele sich um eine "Zelle von Mitgliedern des ultrarechten Lagers", berichtete der israelische Rundfunk unter Berufung auf Polizeikreise. Man gehe jedoch nicht von einer organisierten Terrorzelle aus.Tatmotive seien offenbar Hass auf Araber und Rache für den Mord an den israelischen Teenagern.

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