Nahostkonflikt:Macron fordert Netanjahu zu Siedlungs-Stopp auf

Protesters hold a rally outside the U.S. embassy in Jakarta, Indonesia, to condemn the U.S. decision to recognise Jerusalem as Israel's capital

Proteste vor der US-Botschaft im indonesischen Jakarta.

(Foto: REUTERS)
  • Frankreichs Präsident Macron hat Israels Regierungschef Netanjahu zu "mutigen Gesten" gegenüber den Palästinensern aufgefordert.
  • Der türkische Präsident Erdoğan bezeichnete Israel als "terroristischen Staat", der "Kinder tötet".
  • Israels Premier Netanjahu hat sich bei einem Besuch in Paris gegen internationale Kritik verteidigt und Erdoğan seinerseits scharf kritisiert.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu bei dessen Besuch in Paris zu "mutigen Gesten" gegenüber den Palästinensern aufgefordert. Er habe Netanjahu darum gebeten, "um aus der derzeitigen Sackgasse herauszukommen", sagte Macron am Sonntag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Als Beispiel für eine solche Geste nannte er ein Einfrieren der israelischen Siedlungspolitik. Er habe Netanjahu gesagt, dass er die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt durch US-Präsident Donald Trump missbillige.

Israels Ministerpräsident Netanjahu hingegen bezeichnete die Entscheidung der USA als "ernsthafte Anstrengung" für Frieden in Nahost. "Wir sollten dem Frieden eine Chance geben, indem wir Dinge zur historischen Wahrheit bringen, indem wir die Möglichkeit für neue Verhandlungen öffnen, für neue Initiativen." US-Präsident Donald Trump hatte Jerusalem in einem viel kritisierten diplomatischen Alleingang als Hauptstadt Israels anerkannt.

Jerusalem sei die Hauptstadt Israels, betonte Netanjahu: "Je eher die Palästinenser diese Realität anerkennen, je eher werden wir uns in Richtung Frieden bewegen." Netanjahu sagte, er habe Palästinenserpräsident Mahmud Abbas immer angeboten, sich an den Verhandlungstisch zu setzen. "Wenn er Frieden will, soll er herkommen und verhandeln."

Verteidigungsminister Lieberman ruft zum Boykott arabischer Geschäfte auf

Zugleich wies Netanjahu die Äußerungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan scharf zurück, der Israel zuvor als "Terrorstaat" und Land der "Kindermörder" bezeichnet hatte: "Ich bin es nicht gewohnt Morallektionen von einem Anführer zu erhalten, der kurdische Dörfer in seinem Land bombardiert, der Journalisten einsperrt, der den Terroristen hilft, vor allem in Gaza", so Netanjahu. Erdoğan hatte erklärt mit allen Mitteln gegen die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt durch die USA kämpfen zu wollen.

Israels Regierung hofft unterdessen, dass die Proteste rasch wieder abflauen. "Unsere Hoffnung ist, dass sich alles beruhigt und wir zum normalen Leben zurückkehren - ohne Krawalle und ohne Gewalt", sagte Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman in einem Interview des Armee-Rundfunks. Lieberman forderte jüdische Israelis zudem dazu auf, Geschäfte in Orten zu boykottieren, in denen arabische Bewohner gegen die Entscheidung demonstriert hatten.

Er bezog sich dabei auf Wadi Ara - eine Ansammlung von Ortschaften im Norden Israels, deren Einwohner israelische Staatsbürger, aber zumeist arabischer Abstammung sind. Hunderte von ihnen hatten am Samstag entlang einer wichtigen Autobahn protestiert, teilweise wurden Autos mit Steinen beworfen. Die Demonstranten seien "nicht Teil von uns", hatte Lieberman gesagt - eine Formulierung, die er auf Twitter wiederholte.

In den Palästinensergebieten und im Rest der muslimischen Welt gibt es Proteste

Seit Trump Ankündigung, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, kommt es zu Unruhen. Aus dem Gazastreifen wurden Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert, die israelische Regierung reagierte mit Luftangriffen. In den Palästinensergebieten hielten die Proteste am Sonntag an. Allerdings fielen sie deutlich geringer aus als am Vortag. Das palästinensische Gesundheitsministerium teilte mit, dass bereits vier Palästinenser getötet wurden.

Am Sonntag wurde ein 9-jähriges israelisches Mädchen durch Steinwürfe verletzt. Sie befand sich in einem Auto auf einer Straße zwischen den jüdische Siedlungen Efrat und Tekoa rund zehn Kilometer südlich von Jerusalem im Westjordanland. Zudem gab es ein Messerattentat auf einen Sicherheitsmann beim Eingang zum zentralen Busbahnhof in Jerusalem, der an der Westeinfahrt der Stadt liegt. Der Mann erlitt seinen Verletzungen. Der Angreifer wurde festgenommen.

Auch im Rest der muslimischen Welt protestieren Menschen gegen den Plan der USA. In Indonesiens Hauptstadt Jakarta demonstrierten Tausende Menschen vor der US-Botschaft. Indonesien ist das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung. Auf Spruchbändern war zu lesen: "Palästina ist in unseren Herzen."

Am Sonntag wollte die Hamas der Fatah die Kontrolle über den Gaza-Streifen übertragen

In der libanesischen Hauptstadt Beirut kam es zu Ausschreitungen. Sicherheitskräfte setzten Tränengas und Wasserwerfer gegen Demonstranten ein, die in der Nähe der US-Botschaft Feuer entzündeten, die palästinensische Flagge schwenkten und versuchten, die Straße zur diplomatischen Vertretung zu blockieren.

Der künftige Status von Jerusalem gehört zu den strittigsten und komplexesten Fragen, die bislang eine Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinensern verhindert haben. Die Palästinenser wollen im Ostteil der Stadt, den Israel 1967 besetzt und später annektiert hatte, die Hauptstadt eines unabhängigen Staates ausrufen. Israel beansprucht hingegen die ganze Stadt für sich.

Die radikale Hamas und die gemäßigte Fatah, die die Palästinenser vertreten, hatten für Sonntag einen wichtigen Termin geplant: Die Hamas sollte die Kontrolle über den Gazastreifen an die Fatah unter der Führung von Präsident Mahmud Abbas übertragen. Die beiden haben sich nach einem zehnjährigen Zwist im Oktober auf ein Versöhnungsabkommen geeinigt. Doch die Übergabe der Kontrolle des Gazastreifens verschiebt sich. Als Begründung hieß es, die Autonomiebehörde von Präsident Abbas habe nicht wie vereinbart Gehälter von Hamas-Angestellten gezahlt.

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