Nahostkonflikt:Israel und Hamas vereinbaren bedingungslose Feuerpause

Israeli soldiers at Gaza border

Israelische Soldaten an der Grenze zum Gazastreifen. Ihr Ziel: Die Zerstörung der Hamas-Tunnel.

(Foto: dpa)

+++ Die Konfliktparteien einigen sich auf eine bedingungslose humanitäre Waffenruhe +++ Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern in Kairo geplant +++ Die USA genehmigen eine neue Waffenlieferung - trotz Kritik an Israels Angriff auf eine UN-Schule +++

  • Israelis und Palästinenser haben im Gaza-Konflikt eine bedingungslose humanitäre Waffenruhe vereinbart. Die Feuerpause soll am Freitag um 7.00 Uhr MESZ beginnen und 72 Stunden dauern.
  • Nach Angaben von US-Außenminister Kerry sind die Konfliktparteien zudem zu Gesprächen in Kairo bereit.
  • Zuvor hat Israel seine Offensive im Gazastreifen ausgeweitet - trotz der Kritik der Vereinten Nationen und der USA.
  • Die Armee mobilisiert 16 000 weitere Reservisten.
  • Die USA stocken Israels Vorrat an Granaten auf. Das Pentagon verweist auf nationale Sicherheitsinteressen.

Feuerpause aus humanitären Gründen

Die Konfliktparteien im Gazastreifen haben sich nach Angaben von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und US-Außenminister John Kerry am Donnerstagabend auf eine bedingungslose humanitäre Feuerpause geeinigt. Vetreter Israels und der Palästinenser brechen demnach außerdem umgehend nach Kairo auf, um dort über eine dauerhafte Waffenruhe zu verhandeln. Offenbar sollen die israelischen Streitkräfte während dieser Zeit nicht aus dem Küstengebiet abgezogen werden.

Während der Feuerpause "werden die Zivilisten in Gaza dringend benötigte humanitäre Hilfe erhalten" und die "Gelegenheit, lebenswichtige Arbeiten auszuführen", sagte Kerry. Der US-Außenminister nannte die Bestattung von Toten, Versorgung von Verletzten und die Aufstockung von Lebensmittelvorräten.

Weltsicherheitsrat hört Berichte über Lage der Zivilbevölkerung in Gaza

Die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos und der Leiter des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), Pierre Krähenbühl, berichteten dem Sicherheitsrat über die katastrophale Lage der Zivilbevölkerung nach mehr als drei Wochen kriegerischer Auseinandersetzungen.

Krähenbühl, der per Telefon aus Gaza zugeschaltet war, beschrieb das Leid plastisch und aus eigener Anschauung: "Ich sah grauenhafte Wunden in der Kinderabteilung eines Krankenhauses. Das sind die inakzeptablen Folgen eines Konflikts, der sofort gestoppt werden muss."

Die israelische Militäroffensive fordert indes immer mehr Opfer. Nach Angaben des Sprechers des palästinensischen Gesundheitsministeriums, Aschraf al-Kidra, stieg die Zahl der Toten bis zum Abend auf mehr als 1400. Etwa 8000 Menschen wurden demnach in Gaza seit dem Beginn der Kämpfe am 8. Juli verletzt.

Israel besteht auf Zerstörung der Terror-Tunnel

Noch am Donnerstag hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Fortsetzung der Offensive im Gazastreifen angekündigt: Israel wolle die Tunnel der radikalislamischen Hamas unter der Grenze zum Gazastreifen unter allen Umständen zerstören. "Wir sind entschlossen, diesen Einsatz zu Ende zu bringen - ob mit oder ohne Waffenruhe", sagte Netanjahu zu Beginn einer Regierungssitzung in Tel Aviv.

Die Armee habe bereits Dutzende "Terror-Tunnel" zerstört und Hunderte militanter Palästinenser getötet. "Dies ist nur die erste Phase einer Entmilitarisierung des Gazastreifens", sagte Netanjahu. "Die Armee ist weiter mit voller Macht im Einsatz."

Weitere 16 000 Reservisten mobilisiert

Zwei Wochen nach Beginn der Bodenoffensive im Gazastreifen hat die israelische Armee 16 000 weitere Reservisten mobilisiert, um sie zur Entlastung der kämpfenden Truppen einzusetzen. Generalmajor Sami Turgeman, der Chef der Truppen im Gazastreifen, sagte, man sei nur noch "einige Tage" vom erklärten Ziel entfernt, das Tunnelsystem der Hamas zu zerstören.

USA üben Kritik - und liefern neue Munition

Die USA haben Israel mit neuer Munition versorgt. Die US-Regierung habe damit einer israelischen Anfrage vom 20. Juli entsprochen, erklärte das Verteidigungsministerium in Washington. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel habe die Lieferung drei Tage später genehmigt. Pentagonsprecher John Kirby sagte, es habe sich um eine "rein ministerielle Entscheidung" gehandelt, eine Billigung des Weißen Hauses sei nicht nötig gewesen. Die USA stünden für die Sicherheit Israels ein, sagte Kirby weiter. Es sei für die nationalen Interessen der USA "entscheidend", Israel dabei zu helfen, seine Fähigkeit zu einer "starken und reaktiven Selbstverteidigung" zu entwickeln und aufrechtzuerhalten.

Ein Teil der Munition im Wert von umgerechnet rund 750 Millionen Euro stamme aus einem Zwischenlager der US-Armee auf israelischem Boden, sie steht den israelischen Streitkräften im Notfall zur Verfügung. Es handelt sich Medienberichten zufolge um Granaten.

Wenige Stunde vorher hatten die USA scharfe Kritik an Israels Offensive und insbesondere den Beschuss einer UN-Schule geübt. Eine Sprecherin des Weißen Hauses teilte mit, dabei seien "unschuldige Palästinenser" ums Leben gekommen, darunter auch Kinder und humanitäre Helfer.

UN verurteilen Schulbeschuss "aufs Schärfste"

Auch die Vereinten Nationen hatten sich schockiert gezeigt von dem gestrigen Angriff auf eine UN-Schule, in der palästinensische Flüchtlinge Zuflucht gesucht hatten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kritisierte Israel scharf. Der Standort der Einrichtung sei Israel mehrfach mitgeteilt worden, letztmals wenige Stunden vor dem Treffer, sagte Ban bei einem Besuch in Costa Rica. "Ich verurteile diesen Angriff auf das Schärfste. Er ist durch nichts zu rechtfertigen."

Bans Stellvertreter Jan Eliasson erklärte, die UN seien schockiert. "Wir müssen dieses Grauen stoppen. Wir sind an dem Punkt, an dem man sagen muss: Genug ist genug." Der Direktor des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), Pierre Krähenbühl, sagte: "Kinder wurden getötet, als sie neben ihren Eltern auf dem Boden eines Klassenraumes in einer den UN zugewiesenen Unterkunft schliefen."

Der langjährige Sprecher des UNWRA, Chris Gunness, brach angesichts der schlimmen Zustände bei einem Live-Interview mit dem arabischen Nachrichtensender Al Jazeera in Tränen aus. "Die Rechte der Palästinenser, sogar ihrer Kinder, werden völlig verwehrt, und es ist entsetzlich", sagte Gunness. Das Interview musste daraufhin abgebrochen werden.

Die israelische Armee rechtfertigte den Angriff damit, dass die Soldaten aus der Nähe des Gebäudes unter Beschuss genommen worden seien. Das berichtet die palästinensische Nachrichtenagentur Ma'an. Man habe auf das Feuer reagiert, hieß es von Seiten der israelischen Streitkräfte. Darüber hinaus würden die Schulgebäude wohl teilweise als Waffenlager genutzt. UN-Mitarbeiter bestätigten, in einer von ihnen verwalteten Schule tatsächlich Waffen gefunden zu haben. Die Sprecherin der US-Regierung erklärte, man verurteile auch diejenigen, die Verantwortung dafür tragen, dass Waffen in UN-Einrichtungen versteckt worden seien.

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