Nahostkonflikt:Ein Toter bei Protesten im Gazastreifen

Lesezeit: 3 min

  • Im Gazastreifen haben israelische Soldaten einen palästinensischen Demonstranten erschossen. Auch in Jerusalem gibt es gewaltsame Demonstrationen.
  • Hintergrund ist die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen.
  • Tatsächlich werde die Botschaft wahrscheinlich nicht vor 2019 verlegt, erklärte US-Außenminister Rex Tillerson.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Jerusalem

Bei den Auseinandersetzungen wegen der Anerkennung Jerusalems als Israels Hauptstadt durch die USA ist ein Palästinenser im Gazastreifen erschossen worden. Der 30-Jährige sei von israelischen Soldaten getötet worden, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium in Gaza mit. Eine israelische Armeesprecherin bestätigte, dass Soldaten bei Unruhen in dem Gebiet auf die Hauptanstifter geschossen hätten.

Verschiedene Palästinensergruppen hatten nach der Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkennen, "Tage des Zorns" ausgerufen. Die radikalislamistische Hamas hatte sogar eine neue Intifada angekündigt.

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Kommentar von Alexandra Föderl-Schmid, Jerusalem

Auch in Jerusalem gab es Zusammenstöße zwischen Demonstranten und israelischen Sicherheitskräften. Es flogen Steine, israelische Soldaten verfolgten palästinensische Jugendliche auch in den umliegenden Straßen, es gab erste Festnahmen. Aus der Menge waren Slogans wie "Wir verteidigen Palästina mit Blut und Tränen" zu hören. Und: "Trump, du wirst sehen, Palästina wird frei sein".

Rund um das Damaskustor in der Altstadt von Jerusalem waren schon am Morgen Dutzende Soldaten in Schutzkleidung präsent und Einsatzwagen vor Ort. Die Zugänge zur Altstadt waren aber offen. Am Vorabend waren auch berittene Uniformierte im Einsatz. Es wurden zusätzliche Polizeikräfte und Streitkräfte aus anderen Teilen des Landes nach Jerusalem beordert. Sie sollen zuerst an jenen Orten präsent sein, wo Zusammenstöße erwartet werden und dann im Laufe des Tages vor allem zum Schutz jüdischer Siedlungen abkommandiert werden. Am Freitagnachmittag beginnt der Sabbat.

Mit besonderer Sorge hatten die israelischen Sicherheitsbehörden das Freitagsgebet auf dem Jerusalemer Tempelberg erwartet. Dennoch wurde der Zugang zum Tempelberg nicht eingeschränkt. Polizeisprecher Micky Rosenberg bestätigte, dass keine Restriktionen geplant gewesen seien.

In ähnlichen Situationen hatten die israelischen Sicherheitskräfte nur Frauen und Männern über 60 Jahre den Zugang zur Al-Aqsa-Moschee erlaubt, der drittwichtigsten Moschee im Islam. Für diesen Freitag hat die Überlegung überwogen, dass eine Restriktion womöglich erst recht heftige Reaktionen auslösen würde. Ein israelischer Polizeisprecher erklärte, sobald es gewalttätige Proteste gebe, hätte ein Alterslimit verhängt werden können. Zuletzt hatte es im August tagelange Auseinandersetzungen gegeben, weil Israel Metalldetektoren am Eingang zu dem von Muslimen genutzten Teil des Tempelbergs aufgestellt hatte.

Tatsächlich verlief das Freitagsgebet auf dem Tempelberg nach Angaben der israelischen Polizei ohne Zwischenfälle. Muslimische Betende seien bis zuletzt ohne Altersbeschränkung zugelassen worden.

Bereits am Freitagmorgen hatte es Angriffe mit Steinen auf Fahrzeuge auf der Straße 443 zwischen Jerusalem und Tel Aviv gegeben. Diese Straße verläuft durch das Westjordanland. Am Donnerstagabend wurden Raketen vom Gazastreifen auf Israel abgefeuert, eines der drei Geschosse landete auf israelischem Gebiet. Die israelische Armee setzte daraufhin Panzer und Jets ein und feuerte auf zwei Ziele im Gazastreifen. In Teilen Israels heulten die Sirenen. Die israelische Armee machte die Hamas, die im Gazastreifen noch immer nicht die Macht an die palästinensische Autonomiebehörde abgegeben hat, dafür verantwortlich.

US-Vize Pence nicht willkommen

US-Vizepräsident Mike Pence hatte schon vor Trumps jüngster Erklärung eine Reise nach Israel geplant. In der Woche vor Weihnachten will er unter anderem Bethlehem besuchen. Die Stadt liegt nur acht Kilometer von Jerusalem entfernt, gehört aber zum Westjordanland. Ein Besuch von Pence und ein Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas sei "nicht erwünscht", erklärte gestern Mohammad Shtayyeh, Mitglied der Fatah und der PLO-Zentralkomitees, im Gespräch mit Korrespondenten in Beit Jala. Abbas sei außerdem nicht im Lande. Das Weiße Haus ließ gestern verlauten, dass Trump Abbas zu einem Treffen eingeladen hatte. Dieser befindet sich im Dezember wegen einer medizinischen Behandlung ohnehin in den USA. Eine Reaktion des Palästinenserpräsidenten gibt es noch nicht.

Shtayyeh, der dem zentralen Verhandlungsgremium zur Übergabe der Macht im Gazastreifen angehört, zeigte sich zuversichtlich, dass am Sonntag tatsächlich alle Ministerien in Gaza ihre Arbeit aufnehmen können "und nicht irgendeine Art Schattenregierung agiert". Die Hamas will, dass 43 000 von ihr eingesetzte Mitarbeiter weiter arbeiten können. Die Frist zur Übergabe war von 1. auf den 10. Dezember verschoben worden.

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Wenn alle Ministerien grünes Licht geben, dass sie arbeitsfähig seien, dann könnten auch die Restriktionen aufgehoben werden, sagte Shtayyeh. Das würde bedeuten, dass die Autonomiebehörde die Stromrechnungen und die Gehälter der Mitarbeiter der Verwaltung wieder bezahlt. Derzeit haben die Menschen im Gazastreifen nur drei Stunden Strom pro Tag und müssen teuer für Elektrizität aus Generatoren bezahlen. Die Restriktionen hatte die Autonomiebehörde verhängt, um die Hamas nach zehn Jahren des Regierens im Gazastreifen zur Abgabe der Macht zu zwingen.

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