Nahostkonflikt:Ausgeladen

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Weil er ein Statement verweigerte, durfte der jüdische Sänger Matisyahu in Spanien erst nicht auftreten.

(Foto: Biel Alino/AFP)

Die Boykott-Bewegung gegen Israel trifft den Musiker Matisyahu - der eigentlich aus den USA stammt: Der Veranstalter eines spanischen Reggae-Festivals lädt ihn aus. Grund: Der Amerikaner hatte sich nicht zu Palästina bekannt.

Von Peter Münch

Als er auf der Bühne stand nach all den Wirren, da war er endlich wieder in seinem Element. Dumpfe Bässe, das Schlagzeug schnell und laut, und Matisyahu, den sie einst den "Reggae-Rabbi" nannten, sang in den Worten der alten Psalme von seiner Liebe zum gelobten Land: "Jerusalem, wenn ich dich vergesse, würde kein Feuer mehr von meiner Zunge kommen." Er tanzte über die Bühne, entrückt im Rhythmus, und unten im Publikum wurden palästinensische Flaggen geschwenkt.

Es ist der letzte Akt eines Skandals, der das fröhlich-freie Rototom-Sunsplash-Festival nahe Valencia in diesem Jahr mitten hinein in den Nahost-Konflikt gezerrt hat. Zum spanischen Hochfest des Reggae, das bis zu 250 000 Besucher anzieht, war Matisyahu erst ein-, dann aus- und schließlich doch wieder eingeladen worden. Der Grund: Der 36-jährige Musiker ist Jude, zwar nicht aus Israel, sondern aus den USA, wo er als drogenaffiner Schulabbrecher zum Glauben fand. Vor nicht allzu langer Zeit stampfte er noch vielbestaunt im Outfit der Chassiden mit Bart und Schläfenlocken über die Bühne und stürmte so die US-Charts. Mittlerweile hat er sich in einer neuen Häutung wieder abgewandt vom strengen ultraorthodoxen Glauben, aber seiner Musik ist er treu geblieben, die sich zu Reggae- und Rap-Klängen oft mit religiösen Themen beschäftigt.

Für die Veranstalter des Festivals war sein Judentum der Anlass, von Matisyahu plötzlich ein öffentliches Bekenntnis zum Palästinenserstaat zu fordern. Unter Druck geraten waren sie dabei vom spanischen Ableger der weltweit operierenden sogenannten BDS-Bewegung, die Israel und sein Besatzungsregime mit Boykottmaßnahmen in die Knie zwingen will. Matisyahu weigerte sich, als einziger der auftretenden Künstler ein politisches Statement abgeben zu müssen. So wurde er ausgeladen.

Nun aber erhob sich erst recht ein Sturm, weil viele in diesem Vorgehen Antisemitismus erkannten. Die spanischen Medien mokierten sich über den seltsamen Umgang mit einem vermeintlich "verdächtigen Juden", die Regierung in Madrid sprach von Diskriminierung, jüdische Verbände liefen Sturm. Am Ende knickten die Veranstalter erneut ein: Sie räumten einen "Fehler" ein, entschuldigten sich bei Matisyahu und luden ihn wieder ein zum Abschlussabend auf der großen Bühne.

Da stand er dann im gleißenden Licht, und anfangs waren deutlich noch die "Raus-Raus"-Rufe zu hören. Schnell jedoch war der Jubel lauter als der Protest, und nach seinem 45-minütigen Auftritt zog Matisyahu auf Facebook ein positives Fazit: "Diese Nacht war es schwer, aber besonders", schrieb er. "Jede Möglichkeit, Musik zu spielen, ist ein Segen." Die Politik, so sagte er, wolle er aus seiner Musik heraushalten. Doch in Israel freuen sich die Politiker nach seinem Auftritt über einen seltenen Sieg über die BDS-Kampagne.

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