Nahost:Tötung des Hamas-Chefs heizt Konflikt an

Die gezielte Tötung des Hamas-Chefs Abdel Asis Rantisi durch einen israelischen Raketenangriff ist international auf große Empörung gestoßen. UN-Generalsekretär Kofi Annan forderte einen "unverzüglichen Stopp" der "außergerichtlichen Tötungen". Auch die Europäische Union und Russland verurteilten die Tat, dagegen wiegelte die US-Regierung ab.

Das Weiße Haus in Washington wies am Wochenende Vorwürfe zurück, über die gezielte Tötung Rantisis vorab informiert worden zu sein. Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice sagte am Sonntag im amerikanischen Fernsehsender Fox News, "die Israelis sagen uns natürlich nicht, dass sie etwas vorhaben". Die Vereinigten Staaten hätten in keiner Weise "vorzeitige Kenntnis" gehabt. Allerdings gab es außer der vorgebrachten "Sorge" auch keine deutliche Kritik von Seiten der US-Regierung.

"Israel hat das Recht, sich gegen Terroranschläge zu verteidigen", sagte der amerikanische Regierungssprecher Scott McClellan. Der britische Außenminister Jack Straw dagegen verurteilte die gezielte Tötung Rantisis als "ungesetzlich, ungerechtfertigt und kontraproduktiv.

Scharon gratuliert der Armee

Bundesaußenminister Joschka Fischer sagte am Sonntag in Paris, Deutschland habe gemeinsam mit der EU gezielte Tötungen immer abgelehnt. "Wir halten das für ein Mittel, das nicht angewendet werden darf", erklärte Fischer. Der 56 Jahre alte Rantisi war am Samstag in Gaza-Stadt mit einem israelischen Hubschrauberangriff getötet worden. Dabei kamen auch zwei Leibwächter des Hamas-Chefs, der in einem Auto unterwegs war, ums Leben.

Rantisi selber wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht, wo er wenig später starb. Vor etwa vier Wochen war bereits sein Vorgänger und Gründer der Hamas, Scheich Achmed Jassin, durch einen gezielten Raketenangriff der israelischen Armee getötet worden.

Der israelische Luftangriff folgte am Samstagabend einem kurz zuvor verübten Selbstmordanschlag am Kontrollpunkt Eres, bei dem ein israelischer Soldat getötet wurde und zu dem sich auch der militärische Flügel der Hamas bekannte. Der israelische Regierungssprecher Avi Pasner sagte, Rantisi sei getötet worden, um "die Hamas zu schwächen". Der Nachfolger Jassins sei "einer der gefährlichsten Terroristen" gewesen. Die Tötung stehe in keinem Zusammenhang mit dem geplanten Abzug Israels aus dem Gaza-Streifen, sondern sei Teil des Anti-Terrorkampfes. In einer Erklärung der Armee heißt es, Rantisi sei "direkt verantwortlich für zahlreiche Morde an israelischen Zivilisten".

Ministerpräsident Scharon gratulierte am Sonntag der Armee zur Liquidierung des Hamas-Führers. Auf einer Kabinettssitzung bekräftigte er zugleich, Israel werde sein Vorgehen nicht ändern. Auch das Leben des in Syrien lebenden politischen Hamas-Chefs Chaled Maschal ist somit in Gefahr. "Das Schicksal Maschals wird identisch sein mit dem Rantisis; sobald sich die Gelegenheit bietet, ihn in Damaskus zu töten, wird Israel das tun", sagte der Minister für Parlamentsangelegenheiten, Gideon Esra, laut dem israelischen Militärrundfunk.

Kureia: Das Ende des Friedensprozesses

Der palästinensische Regierungschef Achmed Kurei sieht in der Liquidierung Rantisis das Ende des Friedensprozess mit Israel. Er warf US-Präsident George Bush vor, Scharon bei dessen Besuch in Washington in der vergangenen Woche sein Einverständnis für den Ausbau von jüdischen Siedlungen, die Beschlagnahme palästinensischen Landes und weitere Tötungen gegeben zu haben. Palästinenserpräsident Jassir Arafat erklärte, angesichts der "Barbarei der Besatzung" werde der Widerstand nur stärker werden. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Mussa, sprach von israelischem "Staatsterrorismus". Ähnlich äußerte sich der Golf-Kooperationsrat.

In Gaza-Stadt drohten Anhänger der Hamas mit einem "Vulkan der Rache", an einem Trauerzug für Rantisi beteiligten sich zehntausende Palästinenser. Die Hamas hatte bereits für die Tötung Scheich Jassins massive Gegenschläge angekündigt, die bisher aber ausgeblieben sind. Die Organisation sieht sich mit der Drohung Israels konfrontiert, jeden ihrer Anführer zu töten. Deshalb entschied sie sich auch, die Identität ihres neuen Chefs geheim zu halten. Spekuliert wurde, es handele sich dabei um Rantisis Stellvertreter Machmud Sahar.

Führende Parteifreunde Scharons haben sich am Sonntag hinter dessen Plan für einen Abzug aus dem Gaza-Streifen gestellt. Finanzminister Benjamin Netanjahu und Bildungsministerin Limor Livnat erklärten ihre Unterstützung. Dies kann entscheidend für die Annahme des Plans bei der Abstimmung der Parteibasis am 2. Mai sein.

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